Der schwache Mensch

Franz Primetzhofer über Korruption und Kapitalismus

Korruption und das Zurechtbiegen von Macht und Einfluß (nicht nur) der ÖVP sind in einen größeren Rahmen neoliberaler Krisenbewältigungsstrategien eingebettet. Weil herkömmliche Regulierungs- und Herrschaftsinstrumente samt ihren lobbyistischen Zuträgern dem kapitalistischen Verwertungsdruck nicht mehr ausreichend Rechnung tragen.

Das Kapital drängt nach Durchdringung aller Lebensbereiche. In anderen Ländern weitgehend durchgesetzt besteht in Österreich Nachholbedarf. Die geschwächte Sozialpartnerschaft sowie föderale und kommunale Eigeninteressen stören die Durchgriffsambitionen. Das Kapital will Zugriff und Profit auf alles – am liebsten als Monopol. Es geht um einen Umbau von Staat, Institutionen, Justiz, Medien usw.

Ein Putsch wird meist als etwas Gewaltsames, Krachendes gesehen. Doch gibt es auch Spielarten, deren Potenzial nicht von vornherein sichtbar ist und deren allmähliche Verzerrungen erst im Endergebnis erkennbar sind. Kurz & Co. bauten neben der formalen eine informelle Regierung mit „Eingeweihten“ personell durchwegs identisch auf. Eine Verdoppelung, um das bisherige institutionelle Gefüge für das Kapital neu auszurichten: Verachtung und Demütigung des Parlaments, Aushöhlung der Justiz, Demontage der Sozialpartnerschaft, sogar den Kirchen sollte Angst vor den neuen Göttern eingejagt werden.

Verkommene Institutionen

Der Umbau lief gut, die ÖVP feierte ihren Messias ab, die FPÖ machte im Schatten dieses Hypes ihre eigenen Deals, die mediale Öffentlichkeit staunte und klatschte, halbherzig kritische Stimmen erlahmten allmählich. Letztendlich musste ein quasi externer Impuls – das Ibiza-Video – kommen, um diese Putschmaschine zum Verreiben zu bringen. Üblicherweise braucht ein solcher Coup strategische Vorbereitung, ökonomische und politischer Ressourcen, zuverlässiges Personal, internationale Erfahrung und Beratung. Selbst überrascht über schnelle Erfolge ging man rauschartig härtere Brocken an. Letzte schamhafte Bedenken lösten sich auf, klandestines Vorgehen war nicht mehr nötig.

Der Ibiza-Skandal sorgte für Schadenfreude, manche ergötzten sich an Dilettantismus und Banalität der Beteiligten. Alarmierend ist, wie verkommen die Institutionen zur Regulierung des politischen Willens sind, wenn ein so schmieriger Protoputsch inszeniert werden konnte. Diese Gemengelage zeigt die Sehnsucht nach einer starken Hand, die durchgreift, die lähmenden parlamentarischen, föderalen, sozialpartnerschaftlichen Einrichtungen entmündigt.

In dieser Gesellschaft haben die Menschen zwei Seelen in ihrer Brust: Einerseits das nach abstrakter Arbeit, Geld, Staat und Recht zwangsgeformte Subjekt. Andererseits das nach Bedürfnissen, Gefühlen, Empfindungen sorgsam leben wollende soziale Individuum. Macht und Geld sind Hebel, um nach oben zu kommen. Immun gegenüber Erkenntnissen gesellschaftlicher Zusammenhänge und Triebkräfte ist diese Gesellschaft verurteilt, Krisen, Ungerechtigkeiten, politische, wirtschaftliche Verbrechen nicht dem Subjekt, sondern dem Individuum als Versagen zuzuschreiben. Gier, Maßlosigkeit, Verkommenheit, Selbstsucht, Verdorbenheit, Schlechtigkeit usw. würden die Menschen anfällig für Korruption, Machtmissbrauch, politische und wirtschaftliche Verbrechen machen. Nicht die kapitalistische Gesellschaft sei schuld, sondern der schwache Mensch.

Mehr als teure Spielerei

Raphael Magauer über die Fußball-WM in Katar

Aktuell findet die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar statt. Der Gastgeber steht aufgrund der Unterdrückung von Frauen und queeren Personen sowie der miserablen Arbeitsbedingungen von Gastarbeitern unter heftiger Kritik. Aber warum bewarb sich das Emirat um das Turnier?

Medial wird sie gerne als sehr teure Spielerei der katarischen Königsfamilie präsentiert, aber dahinter steht knallharte Geopolitik im Rahmen einer „Soft Power”-Strategie. Um diese zu verstehen, muss man zurück ins Jahr 1991, zu Beginn des 2. Golfkriegs. Der irakische Überfall auf Kuwait führte zu Schnappatmung in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und eben Katar, ein ähnliches Schicksal gegenüber Saudi-Arabien erleiden zu müssen.

Um das zu verhindern, galt es, die eigene Nation ins Blickfeld des Weltgeschehens, also vor allem des Westens, zu rücken. Bereits zwei Jahre später fanden in den VAE und Katar die ersten großen Tennisturniere im Rahmen der ATP-Tour statt. Bahrain wurde 2004 zum fixen Stopp der Formel-1-Meisterschaft. 2010 gelang Katar dann der große Wurf mit massiver Bestechung von Funktionären, wie alle anderen Bewerber übrigens auch, die Vergabe für die Fußball-Weltmeisterschaft für sich zu entscheiden.

So schaffte man es auch, dass man, trotz guter Handelsbeziehungen zum Iran, die USA in Katar ihre größte Militärbasis im Nahen Osten unterhält. In Europa ist seit Jahren bereits Frankreich fester Partner des Golfstaats. Bereits 2017 rentierte sich die massive Investition der Kataris. Saudi-Arabien versuchte Katar aufgrund ihrer Unterstützung für die Muslimbruderschaft zu isolieren, was sogar so weit ging, dass man durch einen Graben Katar zu einer Insel verwandeln wollte.

Der Westen zog jedoch nicht mit, womit der Boykott vergangenes Jahr scheiterte. Nun findet auch in Saudi-Arabien ein Umdenken statt, vergangenen Sommer übernahm man den Mittelständler der englischen Premier League Newcastle United der sich nun bereits auf dem dritten Platz befindet, ebenso findet sich seit vergangenem Jahr auch ein Grand Prix im Königreich im Formel-1-Kalender wieder. Solch große Investitionen entstehen selten aus Jux und Tollerei, sondern sind das Ergebnis beinharter imperialer Politik, darum ist es wichtig, dass dies auch so benannt und analysiert wird.

Heftigst verhabert

Das Gratisblatt „heute“ feierte unlängst seine viertausendste Erscheinung in Oberösterreich mit einer Sonderbeilage. Darin wurde regionalen Politiker*innen Platz geboten, das Blatt zu bejubeln. Und sie nutzten die Gratis-Selbstdarstellung freudig und lobten diese geistlose Gazette in den höchsten Tönen.

Von Stelzer, Haimbuchner und Rabl erwartet man ja nicht wirklich, dass sie sich für Qualitätsjournalismus engagieren. Aber dass die Sozialdemokraten Luger, Lindner, Vogl, Stangl und der Grüne Kaineder sich öffentlich für Volksverblödung durch Gratiszeitungen erwärmen, erstaunt selbst abgebrührte Oberösterreicher*innen.

Da soll noch einmal einer sagen „So sind wir nicht.“ – Genauso sind sie, die Politiker und Repräsentanten öffentlicher Institutionen: um nur irgendwo mit Foto und Namen erwähnt zu werden, nehmen sie jegliche politische Verrenkung in Kauf. Sie lassen den mieselsüchtigsten Zeitungen Inseratengelder zukommen, werden dafür postwendend in einem Artikelchen oder Interview präsentiert und die Leser*innen nehmen jeglichen Unsinn für bare Münze.

Karin Antlanger