Pierers Wünsche sind Chefsache

Leo Furtlehner über Kapital und Politik

„Dieses Bundesland hat mir meine Karriere möglich gemacht, dafür sage ich danke“ meinte der Industrielle Stefan Pierer nach der Wahl zum Präsidenten der 450 Mitglieder zählenden oö Industriellenvereinigung (trend, 24.5.2022).

Ist Dankbarkeit also doch eine politische Kategorie? 2017 spendete Pierer 436.000 Euro, um Sebastian Kurz zum ÖVP-Parteichef und Kanzler zu machen. Als Gegenleistung erhielt die Industrie den 12-Stundentag und Pierer 6,74 Mio. Euro „Kulturförderung“ vom Land OÖ und der Stadt Mattighofen für seine als Museum getarnte „Moto-Hall“. Wozu er jetzt großzügig erklärt „Ich habe nicht die gesamte Förderung abgerufen“.

„Welser Konkursmafia“

Der mit der Übernahme der bankrotten KTM 1991 groß gewordene Pierer gehörte einst zur „Welser Konkursmafia“, Investoren die konkursreife Unternehmen billig aufkauften, ausschlachteten und dann teuer verkauften. Heute notiert die Pierer Mobility Group (KTM, Husqvarna, GasGas) mit 5.200 Beschäftigten (davon 4.000 im Innviertel) und 2,7 Mrd. Euro Umsatz an der Börse in Zürich. Und Pierer rangiert mit 1,7 Mrd. Euro auf Platz 27 im österreichischen Reichtumsranking (trend, 26.6.2021)

Pierer bedauert, dass das „Projekt Kurz“ nicht nachhaltig war. Er ist enttäuscht, „dass sich die Hoffnungen einer positiven Veränderung der politischen Struktur nicht erfüllt haben“ und meint „Das Thema Weltrettung habe ich aufgegeben“.

Doch „er neigt zu politischem Schwarz-Weiß-Denken“, so ein ranghoher Landespolitiker. Etwa wenn er dem Kanzler vorwirft „unter Missachtung des Aktiengesetzes über Nacht zwei Milliarden Euro ausradiert“ zu haben, nur weil Nehammer im Mai vorgeschlagen hatte die Übergewinne des Verbund-Konzerns abzuschöpfen. Oder wenn er meint, dass „Brüssel von NGOs unterwandert ist“.

Ein Hardcore- Neoliberaler

Pierer gilt als Scharfmacher: Arbeiterkammer und ÖGB sind für ihn ein „rotes Tuch“. Er findet es unverständlich, wenn Lohnabhängige in Pension gehen „obwohl sie noch tatkräftig und potenziell voller Elan“ sind, wer zu früh in Pension geht wäre „wahrscheinlich verblödet“. Statt auf Lohnerhöhung setzt er auf Steuerentlastung: „Die ersten 20 Überstunden im Monat steuerfrei“ und „nur den halben Steuersatz“ für Leute bis 30 sind sein Rezept (Standard, 8.7.2022). Eine Erbschaftssteuer hält er für „eine Themenverfehlung“, Vermögen dürfe keinesfalls besteuert werden.

Prestigeprojekt Digital-Uni

Willkommen in der „industriellen Kornkammer Österreichs“ sind für Pierer hingegen billige Arbeitskräfte, etwa durch „Zuzug aus Indien“. Oder die von der IV angeschobene und von der schwarz-blau geführten Landesregierung willfährig umgesetzte Digital-Uni in Linz: Am Hochschulgesetz vorbei, finanziert aus Reserven der Universitäten, frei von Kollektivverträgen für die Beschäftigten und von Mitbestimmung durch Studierende.

Pierer will der IV bundesweit „Tempo machen“, deren Präsident Knill „könne sich jetzt warm anziehen“. Ob er dazu auch den Vorstoß seines Vorgängers Axel Greiner aufgreift „Kernkrafttechnologien auch für Österreich anzudenken“ ist offen.

Als Reibebaum gilt Pierer die grüne Ministerin Gewessler. Doch er hofft auf deren Zurichtung: „Man könnte vom Pragmatismus der grünen Kollegen in Deutschland lernen“, gilt doch in Pierers Umfeld der deutsche Vizekanzler Robert Habeck „als akzeptabelster Öko-Politiker bisher“.

Da verwundert es nicht, dass der sich in der Causa „Motohall“ ereifernde grüne Klubchef Severin Mayr zu Pierers Aufstieg nichts zu sagen hat und Grünen-Landesrat Stefan Kaineder „pflichtschuldig bei der präsidentiellen Staffelübergabe“ vorbeischauen musste.

Unabhängig von grünen Anbiederungen läuft Pierers Achse zum Land unter Schwarz-Blau wie geschmiert. Schließlich hat „Thomas Stelzer den Kontakt zur IV zur Chefsache gemacht“ und „streichelt das Ego“ von Pierer und Konsorten (OÖN, 10.6.2022).

Verschleierte Hegemonie

Stefanie Breinlinger über die oberösterreichische Standortpartnerschaft

Im Oktober verkündeten Wirtschafts- und Arbeiterkammer einen neuen Schulterschluss: Ein „ehrliches und problemlösungsorientiertes“ Verhältnis der Sozialpartner soll gemeinsame Projekte für einen Aufschwung im Kontext der Krise fördern.

Über konkrete Ziele halten sich die beiden Interessensvertretungen indes bedeckt, von einer Clearingstelle bei Konfliktfällen und Arbeitsstiftung ist die Rede.

Lästiges „Schwarzbuch“

Fix ist, dass die AK künftig auf das „Schwarzbuch Arbeitswelt“, das den Unternehmer*innen seit 2006 lästig war, verzichtet. Die Partnerschaft erscheint nicht gerade auf Augenhöhe, wenn die AK einseitig etwas aufgibt, die Unternehmerseite jedoch scheinbar keine Vorleistung erbringen muss. Ein entmutigendes Signal für die Arbeitnehmer*innen.

Damit verzichtet die AK darauf, nur einen kleinen Teil jener Grauslichkeiten der Arbeitswelt, die sie in ihrer Beratungspraxis tagtäglich von den Lohnabhängigen hört und deren rechtliche Ansprüche sie einklagt, nicht mehr als warnende Beispiele zu veröffentlichen. Dies in einer Zeit, wo Whistleblowing hochlebt, weil es oft die einzige Möglichkeit für Beschäftigte ist, gegen Missstände anzukämpfen.

Das Allheilmittel?

Reale Interessengegensätze zudecken zu wollen, ist im Interesse der Lohnabhängigen verfehlt. Genauso wenig ist nachvollziehbar, die Sozialpartnerschaft als Allheilmittel darzustellen, wenn der „Partner“ kurz zuvor im Alleingang erkämpfte Rechte auslöscht, wie wir mit dem 12-Stunden-Tag und der Zwangsfusionierung der Krankenkassen erleben mussten.

Es ist zu befürchten, dass die Arbeitnehmer*innen-Vertretung den Wünschen der Industriellenvereinigung nachgibt, um Druck auf Löhne, Sozialleistungen und Arbeitsplätze zu verstärken, um die Profite von großen Unternehmen zu sichern und zu erhöhen. Will sich die AK für die Politik des neoliberalen Privatkapitals und für Einzelinteressen der Unternehmer* innen einspannen lassen?

Druck der Industrie

Am Beispiel MAN Steyr könnte das Land mit seiner neuen Standortpartnerschaft beweisen, dass es für Standortpolitik im Sinne der Arbeitnehmer*innen eintritt und Arbeitsplätze ernsthaft erhalten will, anstatt den Betriebsstandort an die Marktmacht transnationaler Konzerne auszuliefern.

Direkte Investitionen als öffentliche Beteiligungen und dabei direkte Mitbestimmung sicherzustellen sind bessere Maßnahmen, als darauf zu warten, dass der VW-Konzern einlenkt.

Die Einschnitte der Corona-Krise könnte man für eine dringende Weichenstellung nutzen: Es ist an der Zeit, überkommene und von der Akkumulationskrise des Kapitals besonders betroffene Industriesektoren wie Autoindustrie oder Flugzeugbau sowie klimaschädliche Industriezweige wie die Stahlerzeugung zu redu- zieren.

Umstrukturierung notwendig

Eine Umstrukturierung zu Gunsten ökologischer nachhaltiger Technologien, der Produktion erneuerbarer Energien, Logistik, dem Ziel einer CO2-neutralen Produktion, Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist über- fällig.

Die kapitalistische Produktionsweise und ihr expansiver Raubbau an der Umwelt rief die Klimakrise und Gesundheitskrise hervor und verschärft sie immer weiter. Wenn wir eine Chance haben, Gerechtigkeit für Mensch und Klima herzustellen, so ist dies nur mit Hilfe einer koordinierten Industrie- und Wirtschaftspolitik unter Einbindung der Beschäftigten zu machen.

Cartoon: Karl Berger