Wir brauchen mehr Kassenstellen, meint GLB-Arbeiterkammerrat Thomas Erlach.

Aktuell sind bundesweit 10.944 WahlärztInnen tätig. Dem gegenüber stehen 8.341 KassenärztInnen (Presse 17.4.2022). Wegen einer angeblichen ÄrztInnenschwemme wurde seinerzeit das Wahlärztesystem eingeführt. Schon damals vertrat die GKK die Position, es gäbe ausreichend Kassenärzte.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mittlerweile hat sich die Situation aber so weit zugespitzt, dass auch bestehende Kassenstellen nicht mehr nachbesetzt werden können. Mit Stichtag 1. Jänner 2022 waren in Oberösterreich 71 Kassenstellen vakant, in der Zahnmedizin allein waren 26 von 382 Kassenstellen unbesetzt (OÖN 11.3.2022). Das Ergebnis sind lange Wartezeiten auf Behandlungstermine.
Wer schnell eine ärztliche Behandlung braucht hat Pech gehabt. Viele ÄrztInnen nehmen keine neuen PatientInnen mehr auf. Bei Facharztterminen muss man mit einer Wartezeit von bis zu sechs Monaten rechnen. Versicherte sind zunehmend gezwungen im Interesse ihrer eigenen Gesundheit auf eigene Kosten Wahlärzt- Innen in Anspruch zu nehmen. Es werden maximal 80 Prozent des Kassenarzthonorars zurückerstattet, vielfach mit einer Verzögerung von bis zu 10 Monaten (Kronenzeitung 15.8.2021).
Hier wird die schleichende Privatisierung des Gesundheitssystem politisch umgesetzt und eine Zweiklassen-Medizin ist entstanden. Wer es sich leisten kann bekommt sofort medizinische Behandlung. Wer sich auf die ÖGK verlassen muss, hat zu warten.
Die von der Politik betriebene Verknappung der Mittel für unsere Sozialversicherung hat auch das ihre dazu beigetragen, dass Kassenstellen heute wenig attraktiv sind. Es braucht dringend eine andere Gesundheitspolitik und mehr Geld für den Bereich.
Gleichzeitig weist ÖGK-Vorsitzender Andreas Huss zu Recht darauf hin, dass die öffentliche Hand ein Studium der Medizin mit rund 600.000 Euro mitfinanziert und damit auch eine Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber besteht, etwa dass sich Studierende verpflichten, nach Abschluss mehrere Jahre eine Kassenstelle zu übernehmen.
Wir brauchen also mehr Kassenarztstellen. Und wir brauchen eine andere Gesundheitspolitik und wir brauchen mehr Geld für den Gesundheitsbereich. Wenn wir als Versicherte das erreichen wollen, dann brauchen wir dazu wohl auch eine andere Bundesregierung.