Die harte Hand

Gerlinde Grünn über Reaktionen auf Krawalle und Proteste

Es mangelte im heurigen Herbst nicht an Aufregern – seien es Jugendliche, die zu Halloween die Innenstadt mit Böllern beglückten oder Klimaaktivist*innen, die durch Sitzblockaden den morgendlichen Pendlerstrom störten. Ungeachtet des Anlasses kann man sich sicher sein, dass ein mediales Getöse der Empörung losbricht und alsbald die hohe Stadtpolitik zur Repression der Störenfriede ruft.

Rund 200 Jugendliche versammelten sich zu Halloween am Taubenmarkt und warfen rücksichtlos mit Böllern. Die Polizei schritt ein und die Situation eskalierte. Erst spät in der Nacht war die Lage wieder im Griff und 126 Personen identitätserfasst. Der Umstand, dass mehrheitlich migrantische Jugendliche beteiligt waren, wurde zum gefundenen Fressen für Boulevard und rechte Politiker. Selbst aus Wien drohte der Innenminister mit Abschiebungen.

In der kurz darauf folgenden Gemeinderatssitzung nutzte die ÖVP die Gunst der Stunde für einen Antrag, der außer Repression und Drohgebärden nichts zu bieten hatte. Vernünftige Stimmen, die den Fokus auf die Frage was denn da mit den Jugendlichen und ihrer Wut los ist, lenkten, blieben in der Minderheit. KPÖ-Gemeinderat Michael Schmida verwies darauf, dass schwarze Pädagogik im Umgang mit Jugendlichen nicht angebracht ist, sondern hier Ursachenforschung gefragt ist.

Klar ist, dass verantwortungsvolle Stadtpolitik sich die Frage stellen muss, was läuft schief in der Jugendpolitik und was muss getan werden, um Jugendlichen, besonders denjenigen die schon viele Ausgrenzungserfahrungen haben, echte Perspektiven zu ermöglichen. Das beginnt bei Ressourcen für Jugendangebote und endet bei Racial Profiling durch die Polizei.

Aktuell erregten kurzfristige Straßenblockaden durch Klimaaktivist*innen. Die Reaktion darauf sprüht ebenfalls den reaktionären Geist. So fordert etwa ÖVP-Vize Hajart Präventivhaft für Klimaaktivist*innen. Fakt ist aber, dass die Aktionen bis dato zwar viel Aufmerksamkeit generierten, die realen Auswirkungen der Blockaden sich in Grenzen hielten. Die repressive Kraftmeierei der Stadtobrigkeit bedient daher vor allem Ressentiments des Boulevards. Was man auch immer von der Aktionsform Kleben hält, eine alte Weisheit besagt: Wenn es nicht unbequem wird, verändert sich auch nichts.

Gefährliche Sicherheit

Eine Halloween-Party als Vorwand zur Aufrüstung. Von Franz Fend

Als zum heurigen Halloween-Tag in der Linzer Innenstadt ein paar Hundert Jugendliche zusammentrafen, ein wenig Krawall machten und sich ein ungleiches Match mit der Polizei lieferten, reagierte die Polizei – entgegen ihren sonstigen Usancen – recht überlegt und keineswegs eskalierend.

Helle Aufregung und aufgebrachtes Gezeter herrschte hingegen bei den Provinzblättern, die in ihrem Wahn von bürgerkriegsartigen Zuständen phantasierten und die Stadt bereits in Schutt und Asche liegen sahen. Die hiesigen Politiker kultivierten zudem einen Alarmismus, der allein dem Wunsch geschuldet war, Aufrüstung, Repression und Überwachung im öffentlichen Raum voranzutreiben.

Landeshauptmann Thomas Stelzer berief kurzerhand einen sogenannten Sicherheitsgipfel ein. Was das sein sollte und auf welchen gesetzlichen Grundlagen dies geschah blieb im Verborgenen. Das Befeuern eines rassistischen Mobs war das wirkliche Ansinnen Stelzers. Dies zeigt die Tatsache, dass er die Halloween-Kindertumulte, entgegen jeglicher Evidenz, zu einem Ausländerproblem erklärt hat. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger hingegen sprach von „Zero Tolerance“ gegenüber Randalierer*innen. Zu befürchten ist, dass der Bürgermeister dies aus wohlüberlegten Gründen tut. Er weiß genau über den Hintergrund der Zero-Tolerance-Policy, die der frühere New Yorker Bürgermeister und Trump- Rechtsanwalt Rudy Giuliani und dessen Polizeichef William Bratton durchgesetzt hatten.

Hypertropher Polizeiapparat

Die allerkleinsten Verstöße im öffentlichen Raum wurden unerbittlich aufs Härteste geahndet. Ab 1993 musste in New York, wer das Autoradio zu laut laufen ließ, wer Trottoirs beschmutzte, wer Graffiti sprühte, wer beim Betteln erwischt wurde, wer im Park pinkelte, fest damit rechnen, festgenommen zu werden und für längere Zeit hinter Gitter zu wandern. Die Zahlen der wegen Bagatellen Inhaftierten schossen durch die Decke, weil die Entlohnung und Beförderung bei der Polizei von den Zahlen der Verhaftungen abhängig gemacht worden ist. Gleichzeitig hatte Null Toleranz zur Folge, dass der Polizeiapparat in acht Jahren von 27.000 bewaffneten Uniformierten auf 41.000 aufgerüstet worden ist, das Polizeibudget wurde in nur fünf Jahren um 50 Prozent erhöht, während das städtische Sozialbudget um 30 Prozent beschnitten wurde.

Hier wird deutlich, und um nichts anderes geht es den lokalen Politiker*innen, dass der neu be- feuerte Sicherheitsdiskurs nichts anderes ist als eine Kriminalisierung der sozialen Unsicherheit, die hierzulande noch überdies einen rassistischen Spin hat. Es ist nicht verwunderlich, dass nahezu alle Wortmeldungen die Ausweitung der Polizeibefugnisse zum Thema hatten. Die extreme Rechte, in persona Manfred Haimbuchner, forderte zudem, das Asylrecht zu hinterfragen und aus der europäischen Menschrechtskonvention auszusteigen.

Der Ausbau der Polizeibefugnisse, die Ausrüstung als Riot-Police, die Verschärfung der Versammlungsgesetze und des Demonstrationsrechts, die Hochrüstung des Polizeiapparates mit neuen Sturmgewehren und anderen Waffen, Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner und andere Spitzeltechniken bis hin zur so genannten Sicherungshaft, die einen grundsätzlichen Bruch mit minimalen zivilisatorischen Standards darstellt, das ist die Wunschliste der Provinzpolitik. Die Adressaten dieser Hochrüstung sind mit Sicherheit nicht feiernde Kids.

Ablenkungsmanöver

Der Sicherheitsdiskurs gewinnt immer dann besonders an Dynamik, wenn im kapitalistischen Krisengeschehen von anderen Ereignissen und Entwicklungen abgelenkt werden soll. Angesichts der gegenwärtigen multiplen Krisen verwundert es nicht, dass allerorts von der Erhöhung der Sicherheit im öffentlichen Raum und vom sogenannten legitimen Sicherheitsbedürfnis der Bürger*innen die Rede ist. Sicherheit wird immer im Kontext von Kriminalität, Randale oder anderem devianten Verhalten diskutiert und mit der Aufrüstung des repressiven Teils des Staatsapparates beantwortet.

Ein anderer Aspekt der Sicherheit hingegen wird zumeist komplett ausgeblendet, nämlich die soziale Sicherheit. Etwa die Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit, Versorgung im Falle von Krankheit, nach Unfällen und im Alter oder aber Schutz bei Umweltkatastrophen. Dieser Aspekt der Sicherheit hemmt die Profite, also lautet das Credo der Zeit, sie müssen zurückgefahren werden.

Dies und viele andere Themen finden sie im aktuellen Heft. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und ein gesundes Jahr 2023!

Ihre Café-KPÖ-Redaktion

SOS öffentlicher Raum!

Ina Pree über Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit.

Im Zuge der weiter fortschreitenden Unterwerfung sämtlicher Lebensbereiche unter die kapitalistische Verwertungslogik wird seit Jahren der öffentliche Raum immer wieder angegriffen, zersichert und zerordnet.

Plätze, Parks, … sind auch für die Stadt Linz nicht länger Orte, die sich durch den Grundsatz der allgemeinen und freien Zugänglichkeit auszeichnen, wo NutzerInnen Zeit verbringen können, nach ihren individuellen Interessen und Bedürfnissen.

Der öffentliche Raum ist für die Linzer Stadtpolitik zur Ware geworden. Er kann das Image einer Stadt verbessern, einen Standort attraktiv machen oder für private Events vermietet werden.

Aber nicht nur das, der öffentliche Raum ist auch ein Ort geworden, an dem Weltbild-Störungen durch NutzerInnen, die kein bürgerliches Leben nach bestimmten Wertvorstellungen leben, unterbunden werden.

Für sie soll kein Platz sein, zumindest nicht da, wo man sie sieht oder hört. Argumentativ begründet mit unbeschwerten Nutzungsmöglichkeiten für Familien mit Kindern, Wiederherstellung der Sicherheit oder Abwen- dung eines drohenden Imageverlustes.

Unter dem Stichwort „Sicherheit“ finden sich in den letzten Gemeinderatssitzungen vermehrt Fraktionsanträge, die mediale Unterstützung erfahren.

Dabei ist die Rede von Problemzonen, Herumlungernden, Störenfrieden bis hin zu Zuschreibungen wie krank, süchtig oder nicht sozial verträglich. Hier werden bewusst Bilder erzeugt. Bestimmte NutzerInnen werden zu TäterInnen erklärt, die anderen, guten StadtbürgerInnen den Aufenthalt im Park vermiesen.

Interessanterweise finden sich in diesen Debatten rund um Hauptbahnhof, Volksgarten etc. wiederholt Hinweise, dass es oft um nicht strafrechtlich relevante Handlungen geht, somit die Polizei machtlos ist. Maßnahmen wie Überwachung, Alkoholverbot oder Schutzzonen sollen daher die Kompetenzen der Polizei stärken und NutzerInnen bewusst vertreiben.

Die Gestaltung dieser Räume ist eine politische Aufgabe, schließlich können dadurch Teilhabechancen vergeben oder genommen werden. Ein anderer Umgang ist möglich. Man kann öffentliche Räume in partizipativen Prozessen gestalten, vielfältige Nutzungen ermöglich, unterstützt durch ein Raumkonzept und dem Einsatz von SozialarbeiterInnen.