Jedermann weiß, dass zum Streiten zwei gehören. Wenn der Streit „ausufert“, ist jemand verletzt oder tot. Das sind meist die Frauen. Sie wird es schon irgendwie herausgefordert haben, sie hat ihn provoziert/betrogen/verlassen.
Das „Ehedrama“ geht in Österreich für Frauen besonders oft tödlich aus, 2021 haben schon sechs Männer gemordet, wir haben Anfang Februar. Sind die Taten allein schon schrecklich genug, setzt der Boulevard hämisch noch eins drauf, mit Victim-blaming und großem Mitgefühl für den Täter, der „keinen anderen Ausweg mehr sah“ und in verständlicher Erregung leider zu weit gegangen ist.
Nicht nur Kleinformat und Krawallblatt, auch konservative Zeitungen vermitteln, die Opfer von Gewalttaten seien einer Art Naturkatastrophe zum Opfer gefallen. Tragisch, aber leider nicht zu verhindern: „Familientragödie: Dreifache Mutter (35) wurde in ihrer Wohnung tot aufgefunden. Sie wies mehrere Stichverletzungen auf.“
Gegen Gewalt hilft Prävention in vielerlei Form, nicht zuletzt gleiche Bezahlung, um Unabhängigkeit zu gewährleisten. Gegen idiotische Berichterstattung helfen Leser*innenbriefe, jedes Mal, möglichst viele, möglichst deutlich.
Beziehungsdrama und Ehrenmord sind beschönigende Bezeichnungen für männliche Gewalttaten an Frauen. Aber auch der typische Amokläufer oder Terrorist ist ein Mann. Dazu kommen Beispiele aus der ganzen Welt, die belegen, dass die Bereitschaft menschenfeindliche Ideologien mitzutragen und gegebenenfalls auch in die Tat umzusetzen, Ersteres mehrheitlich, Letzteres fast ausschließlich ein männliches Phänomen darstellt.
Warum aber, wenn es so eindeutig auf der Hand liegt, von wem geschlechtlich betrachtet Gewalt ausgeht bzw. wer Gewaltverhältnisse fördernde Ideen bevorzugt, wird diesem Umstand so wenig bis gar keine Beachtung geschenkt? Vielleicht deshalb, weil es sie schon so lange gibt? Die mehr als zehntausend Jahre dauernde Geschichte der männlichen Dominanz ist eben auch eine Kriegs- und Gewaltgeschichte.
Aber nichts ist für immer gegeben. Es gibt auch Fortschritte. Männlichkeitsbilder sind andere als etwa noch vor 50 Jahren. Rollenverteilungen verändern sich. Zwischenmenschliche Beziehungen werden offener und veränderbarer im Vergleich zu früher ge- und erlebt. Zwar nicht auf einen Schlag, aber sie sind im Wandel begriffen. Die Ökonomie verzögert bestimmte Entwicklungen.
Die Ungleichheit in der Sphäre der Lohnarbeit dauert an. Der Kapitalismus will sich nicht vom Patriarchat verabschieden. Zusätzlich sind Frauenjobs sehr oft öffentliche Jobs im Bereich der Sorge-, Erziehungs- und Pflegearbeit. Der Staat als Arbeitgeber will auch nicht mehr zahlen. Aber der Umstand, dass in Österreich etwa der Unterschied bei den Einkommen besonders hoch ist, wird thematisiert und sensibilisiert.
Der „Gender Pay Gap“ setzt sich in anderen Bereichen fort: Österreich ist ein, im Vergleich mit anderen „westlichen“ Industrieländern, rückschrittliches Land, mit weniger Kinderbetreuungsangeboten, Väterkarenzen und Männerteilzeitanteil. Auf der Sphäre des Symbolischen, was immer mehr ist als nur Symbol, sondern immer auch ein Gradmesser der menschlichen Entwicklung, mögen zwar die Nennungen beider Geschlechter in der Bundeshymne viel Empörung auslösen, aber wenn Duden und ORF einmal gendergerechte Sprachregelungen umsetzen, wurde auch hier wieder ein kleiner Fortschritt erzielt – wenn nicht der nächste rechte Backlash zaghaft gewonnene Freiheiten und kulturelle Entfaltung wieder zunichte macht.
Aber, um wirklich rechten Männerbewegungen, neuen Faschismen und individueller männlicher Gewalt dauerhaft etwas entgegensetzen zu wollen, müsste das „Männliche“, der patriarchale Umgang mit Unsicherheitszuständen noch mehr in das Blickfeld rücken. Es geht um einen bestimmten Umgang von Männern mit äußeren Entwicklungen, die als Bedrohung wahrgenommen werden.
Also um eine Form der Männlichkeit, die nicht anders kann, als gesellschaftliche Wirklichkeit über Gewaltverhältnisse zu gestalten – im Sinne von „der Fremde muss weg, die Frau muss weg oder der Gegner muss weg“. Dies mehr in den Blick zu nehmen, wäre ein Zugang, der es vielleicht erlaubt, daraus Schlüsse für gesellschaftliche Handlungsfelder abzuleiten.
Aufklärung, mit Argumenten überzeugen zu wollen und Wissen zu vermitteln ist ein – und anstelle von Gestaltungsmacht –, das Feld heutiger linker Politik. Politik, die mehr sein will, als nur zu erziehen, sollte zudem ganz konkrete, solidarische und egalitäre Beziehungen der Menschen zueinander schaffen. Auch als Prävention gegen Faschismus und Gewalt.
Richard Schuberth über einschlägige Sager von ÖVP-Politikern.
Also ich möchte nicht Herrn Doktor Andreas Khols Gemahlin sein. Und das nicht nur, weil er keine Lippen hat. Seine Prügeldrohung gegen Pamela Rendi-Wagner wird von den Medien als Entgleisung bezeichnet.
Das stimmt nicht. Sie ist voll auf Gleis. Auf einer Route, welche die ÖVP-Granden nie verlassen haben. Wer nämlich gegen die herzlose Buberlpartie der Türkisen die gute alte Zeit christlich-sozialer Gentlemanship heraufbeschwört, hat keine Ahnung, was für Barbaren das sind. Am Frauenbild sollt ihr sie erkennen.
Auffällig an den Tiroler Luder- und Auflegsagern ist, dass sie den Herrschaften auch dort entfahren, wo sie sich am meisten z’sammreißen müssen, im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, vor Kameras, in Interviews. Man kann sich vorstellen, was sie tun und denken und sagen, wenn das mediale Über-Ich wegschaut.
Der Jurist Khol hat der Bundesparteivorsitzenden der SPÖ keine Prügel angedroht, sondern auf Maßnahmen angesprochen, die danach „schreien“ würden, „ihr eine aufzulegen“. Physische Gewalt ist hier keine Affekthandlung, sondern legitime Bestrafung, Herausforderung herrischen Gewohnheitsrechts.
Es waren immer die Rechtsspezialisten der Partei, die diese Gleisungen vorantrieben. Erinnert sei an Justizsprecher Michael Graff, der gegen Johanna Dohnal 1988 die Vergewaltigung in der Ehe explizit verteidigte, jener Graff, der Waldheims Unschuld dadurch bewiesen sah, dass man diesem nicht nachweisen könne, sechs Juden eigenhändig erwürgt zu haben.
Der Tiroler Abgeordnete Franz Hörl tat 2011 die Frage, wie viele Frauen denn im Landwirtschaftsministerium arbeiteten, mit der Antwort ab: „Irgendeine Putzfrau wird es schon geben.“ Fristenregelung, die rechtliche Gleichstellung von Frauen in der Ehe und am Arbeitsplatz oder das Gewaltschutzgesetz mussten immer mühsam gegen den Widerstand der ÖVP erkämpft werden.
Und die sonnige Seite von Khols Sexismus zeigte sich stets in schmatzender Kavaliers-Anlassigkeit, dem permanenten Flirtzwang des Lebemanns alter Anmach-Schule, der es nie beim Mantel belassen möchte, aus dem er der Dame hilft. Der Höhepunkt tirolerischen Welt- und Frauenverständnisses war seine Bezeichnung von Eva Glawischnig als „radikale, aber wunderschöne Marxistin“ (man beachte die Reihenfolge der Adjektiva).
Dieser schmierige Altherrenhedonismus des Frauenliebhabers und physische Gewalt, Unterwerfung, Misogynie sind keine Widersprüche, sondern bloß die zwei Seiten des Wilden Kaisers. Kein Wunder, dass Karl Kraus schon um 1900 die erotische Sensibilität des bürgerlichen Ehemanns als „sexuelles Tirolertum“ bezeichnete.
Bei einer Vegan-Wall im Juli in der Linzer Landstraße standen alle paar Meter junge engagierte Menschen mit Tafeln, Transparenten und Infotischen mit veganen Kostproben. Im Vorbeigehen bekam man den Eindruck, dass sie allesamt sehr umweltbewusst und gesellschaftlich reflektiert seien.
Doch dann steht da plötzlich ein junger Mann mit dem Spruch „VeganerInnen sind gut zu Vögeln – Und zu allen anderen Tieren auch“. Kaum zu glauben, dass dieser idiotische Macho-Spruch verwendet wird, um Aufmerksamkeit auf das Thema Tierleid zu lenken. Welche Zielgruppe will er mit dem Spruch erreichen? Stammtischbrüder, die erfahrungsgemäß lieber ein saftiges Schweinernes als eine Tofu-Bowl futtern?
Ein paar Meter weiter stehen zwei junge Veggie-Aktivistinnen. Ich frage sie, ob sie der Spruch ihres Kollegen nicht stört. Sie belächeln mich mitleidig und meinen, ich hätte den Spruch nicht zu Ende gelesen. Auf meine Erwiderung, dass ich zwar alt, aber nicht blöd bin und mir mehr Sensibilität im Umgang mit sexistischen Sprüchen erwarte, zucken sie nur die Schultern.
Jahrzehnte feministischer Bewegung sind offensichtlich spurlos vergangen. Frauen – wir haben noch viel zu tun!