Waffen zum Schweigen bringen

Walter Baiers Rede auf einer Friedenskonferenz von transform!europe.

Willy Brandt pflegte zu sagen: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts! Wissenschaftler*innen forderten kürzlich, im Zusammenhang mit der Klimakrise das Worst-Case-Szenario einer globalen Erwärmung zwischen 2,1 und 3,9 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts anzunehmen.

Ist es nicht paradox, dass die Industrieländer auf der Klimakonferenz COP26 zögerten, sich zu einem jährlichen Transfer von 100 Milliarden Dollar an die Entwicklungsländer zu verpflichten, während sie 2.000 Milliarden Dollar, also das Zwanzigfache, für Rüstung ausgeben – Geld, das eigentlich für die grüne Transformation benötigt wird, aber für die Zerstörung von Mensch und Natur ausgegeben wird.

Die Aggression Russlands ist ein krimineller Akt, ein Verstoß gegen Völkerrecht und UN-Charta, von der UN-Generalversammlung eindeutig verurteilt. 300 bis 500 ukrainische Soldaten werden täglich an der Front getötet. Fünf Kinder sterben pro Tag im Raketen- und Granatenhagel, 14 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Tausende junge russische Männer, die sich dem ungerechten Krieg entziehen wollten, wurden an den Grenzen aufgegriffen.

Nichts ist wichtiger, als die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten als ersten Schritt zur Aufnahme von Friedensverhandlungen und zum Abzug der russischen Truppen zu fordern. Auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats im September warnte UN-Generalsekretär António Guterres vor einer Eskalation zu einem Nuklearkonflikt.

In der Tat hat Russland mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, während die NATO gerade den Atomkrieg auf europäischem Boden probt, in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Italien.

Die Gefahr der gegenseitigen Zerstörung betrifft alle Völker der Welt. Das ist der Grund, warum die nuklearen Habenichtse im Rahmen der UNO dem Vertrag über das Verbot von Atomwaffen durchgesetzt haben, der Entwicklung, Produktion, Stationierung von Atomwaffen und deren Einsatz als Drohmittel verbietet und der geltendes Völkerrecht geworden ist.

Wir brauchen ein europäisches Sicherheitssystem, das die NATO nicht ist und niemals sein kann. Nicht aus doktrinären Gründen, wie manche behaupten, sondern weil Sicherheit immer die Sicherheit der anderen ist. Was bedeutet, dass Sicherheit nur durch ein System gewährleistet werden kann, das alle relevanten Akteure einschließt und ihre Interessen berücksichtigt. So gesehen ist die NATO weder Teil der Lösung noch Teil des Problems, sondern sie ist das Problem, sie ist ein zentrales Hindernis auf dem Weg zu einem solchen Sicherheitssystem.

Das ukrainische Volk wird auch nach Kriegsende darauf bestehen, als freie Nation mit Würde anerkannt zu werden, und es hat jedes Recht dazu. Russland wird eine atomar bewaffnete europäische Macht bleiben und muss, ob wir es wollen oder nicht, Teil einer Sicherheitsarchitektur sein.

Bei den Wirtschaftssanktionen, die EU, NATO und G-7 als Vergeltung für die russische Aggression verhängt haben und auf die Russland mit einer kalkulierten Energieverknappung reagiert hat sollten wir uns nicht über die Frage streiten, ob die ergriffenen Maßnahmen verhältnismäßig und angemessen sind und ob sie unseren Ländern mehr schaden als Russland oder nicht. Die einfache Wahrheit ist: Um sie zu beenden, müssen die Waffen zum Schweigen gebracht werden.

Mit einem Wort: All we are saying is: Give peace a chance!

Kohle für das Militär

Putin macht’s möglich. Der völkerrechtswidrige russische Überfall auf die Ukraine hat eine Aufrüstungswelle ausgelöst, bei der auch Österreich nicht zurückstehen will. So sollen die Ausgaben für das Bundesheer von 2,7 (2022) auf 4,7 Milliarden

Euro (2026) bzw. von 0,6 auf 1,5 Prozent des BIP steigen. Das ist zwar immer noch weniger als die NATO-Vorgabe von zwei Prozent: „Zugleich gilt, dass ein Euro, der in die militärische Sicherheit fließt, nicht zugleich für soziale Sicherheit ausgegeben werden kann“ (Der Spiegel 37/2022).

Die 1955 proklamierte Neutralität hat – soweit sie politisch aktiv verstanden wurde – Österreich gut durch wechselhafte Zeiten gebracht. Mit dem Beitritt zur EU – und damit zur „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ – und zur NATO-„Partnerschaft für den Frieden“ hat sich das allerdings gravierend geändert.

Ein positiver Aspekt der Neutralität waren stets auch geringe Rüstungsausgaben, was sich positiv auf den wirtschaftlichen Aufstieg in den „goldenen“ 1960er und 1970er Jahren auswirkte. Was sich nun ändern soll. Rüstungskonzerne wittern profitable Geschäfte und Bellizist*innen diverser Couleur wollen uns mit aller Kraft in Kriege hineinziehen.

Leo Furtlehner

An alle ZivilistInnen!

Ein Aufruf, der auf http://www.friedensbrief.at unterstützt werden kann.

Der Sozialwissenschaftler Walter Baier und die Autorin Marlene Streeruwitz haben unter dem Titel „An alle ZivilistInnen!“ einen Friedensbrief verfasst, der von 220 namhaften Menschen aus einem breiten friedenspolitischen Spektrum als Erstunterzeichnende unterstützt wird und welcher öffentlich unterstützt werden kann.

Die Liste der UnterstützerInnen ist auf http://www.friedensbrief.at ersichtlich, wo auch der Aufruf unterstützt werden kann.

Der Friedensbrief

Wieder wird in einem Krieg auf Befehl gemordet und gestorben. Auf beiden Seiten. Wieder wird mit Krieg Geschichte gemacht. Und wieder liegt es in unserer Verantwortung, dagegen Einspruch zu erheben.

Wir hier. In Österreich. Der Ukraine-Krieg bedroht uns unmittelbar. Diese Bedrohung macht Angst. Nun ist der aggressive Überfall Russlands über die Ukraine vorbehaltlos zu verurteilen. Trotzdem wäre das Einstimmen in all die vielen Formen von Kriegsbefürwortung, wie sie die öffentliche Debatte beherrschen, nichts anderes als sich in diesen Krieg als selbstverständliches Mittel der Konfliktlösung hineinziehen zu lassen. Das hieße, sich der Logik kriegerischer Gewalt anzuschließen und damit eine Eskalation des Konflikts zu dulden.

Es muss doch darum gehen, in jeder Handlung und Äußerung zum Ukraine Krieg – wie zu jedem Krieg – Frieden als Ziel beizubehalten. Von den EntscheidungsträgerInnen in Politik und Wirtschaft, in Medien und Kunst ist zu verlangen, sich für eine rasche Beendigung der Kampfhandlungen und den Beginn von Verhandlungen für einen nachhaltigen Frieden einzusetzen. Wir hier. In Österreich. Wir müssen die freie, demokratische Rede bewahren, indem wir Friedensdenken und Friedenshandeln zur Grundlage politischen Sprechens und Handelns machen und uns nicht in das Konzept Krieg eingemeinden lassen. Das Konzept der Neutralität ist als Station auf dem Weg zu einem europäischen Frieden anzusehen.

Österreich hat als neutrales Land und Sitz bedeutender internationaler, dem Frieden dienender Organisationen die Möglichkeit und die Pflicht, sich für eine friedliche und demokratische Konfliktlösung einzusetzen.

Die beachtliche Rolle, die Österreich bei der Vorbereitung und Beschlussfassung des Atomwaffenverbotsvertrags gespielt hat, ist ein Beispiel für die Möglichkeiten aktiver Neutralität. Nicht durch militärische Aufrüstung, sondern durch Vermittlung und Gesprächsangebote können Österreichs PolitikerInnen zur europäischen Sicherheit beitragen.

Weil es um unsere Leben und unsere Zukunft genauso wie um die Leben und die Zukunft der Kriegführenden geht, müssen wir die Utopie eines friedlichen Miteinander in Europa in Erinnerung halten und durch einlässliche Auseinandersetzung uns dieser Utopie annähern.

Um diesem Ziel näher kommen zu können, müssen wir die Gleichschaltung in Kriegsbegeisterung als einzig erlaubtes Argument verweigern. Die Ausübung der freien Rede in breiter Diskussion ist dann selbst das deutlichste Argument gegen Krieg, dem die freie Rede immer zum Opfer fällt.

Kluges Friedensdenken und Friedenshandeln bedeutet Erhaltung und Eroberung eines Demokratischen, in dem Krieg als Verstoß gegen die Grundrechte der Person nicht mehr vorstellbar sein wird. Lasst uns gemeinsam und machtvoll und erneut zu diesem Ziel aufbrechen.

Mediale Mobilmachung

Günther Hopfgartner über die Medien im Krieg

Immer noch kennt die Qualitätspresse nur einen Reflex, wenn sie über den Feind berichtet, welcher traditionell im Osten zu stehen hat: Allgemeine Mobilmachung im Rahmen der geistigen Landesverteidigung. Wer das für überzogene Polemik hält, dem sei die Lektüre jener Twitterblasen empfohlen, die das liberale Pressewesen in Österreich minütlich aufbläst. 

Vom Zivi zum PR-Agenten

Wie da ehemalige Zivildiener zu PR-Agenten westlichen Kriegsgeräts mutieren, ist aller Unehren wert. Da werden Mehrfachraketenwerfer oder auch panzerbrechende Munition abgefeiert und vom Redaktionsschreibtisch aus die Ukraine martialisch verteidigt. Man kann dieser wehrhaft-liberalen Glaubensgemeinschaft legitimerweise und ganz legal anhängen – muss man aber nicht.

Spätestens da beginnt mein grundsätzliches Problem mit der Qualitätspresse und ihrem zunehmend autoritären Diskurs: Von Anfang an genügte es nicht, dass man von links den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins auf die Ukraine unmissverständlich verurteilte, oder das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine betonte, wenn mensch dann nebensätzlich Kritik am Verhalten der NATO oder der westlich orientierten Oligarchenfraktionen in der Ukraine äußerte. Oder auch den Konflikt in einer komplexeren Auseinandersetzung diversester nationaler wie transnationaler Kapitalfraktionen verortete. 

Unter Generalverdacht

Derzeit gerät man aber auch schon mal unter den Generalverdacht des Putinverstehens, wenn man etwa eine rasche Verhandlungslösung im mörderischen Konflikt dringend für angeraten hält, anstatt wie etwa die Mehrzahl der KollegInnen in den Schreibstuben der vierten Macht, die „westlichen Werte” – oder auch „die europäische Familie” (Macron) – blutig vorwärts verteidigen zu wollen, bis zur Niederlage der russischen Armee, samt Regime-Change in Moskau. Nur zur Klarstellung: Es geht mir hier nicht um berechtigte und notwendige Kritik an einigen Linken, die – aus welch schrägen Gründen auch immer – in Putin ihren ideellen Support-Dog in der andauernden Trauerarbeit zum Verlust des realsozialistischen Blocks von anno dazumal sehen.

Es geht vielmehr um die aggressive Ausgrenzung jeder Art von abweichender Stellungnahme zur permanenten NATO-Presseaussendung, die seit Monaten alle (links-)liberalen Kommunikationskanäle verstopft.

Vaterland in Gefahr?

Üblicherweise kennt man diesen autoritären Gestus des Liberalen vor allem dann, wenn das Vaterland beziehungsweise das eigene Investment in ebenjenes in Gefahr scheint. Aber sind das Vaterland und sein Kapital tatsächlich und ausgerechnet in der Ukraine in Nöten?

Nicht so direkt möchte man meinen, obwohl sich die Konflikte zwischen diversen kapitalistischen Staaten und Staatenbündnissen aufgrund unterschiedlicher ökonomischer und machtpolitischer Entwicklungsniveaus in den vergangenen Jahren zunehmend verschärfen. 

Die aggressive Ausgrenzung der Linken im veröffentlichten Diskurs hat seine Ursache wohl vor allem auch in der zunehmenden Erschöpfung der gesellschaftlichen Kohäsionskraft liberaler Ideologie und Praxis weltweit. Da muss mit liberaler Propaganda dann das Bewusstsein nachjustiert werden.

Und da stört dann kommunistische/sozialistische Theorie und Praxis insbesondere das Narrativ einer heroischen Abwehrschlacht des Liberalismus gegen den Rechtspopulismus, welche das Pressekorps seit geraumer Zeit mit viel Pathos ans demokratische Publikum bringen, nachhaltig.

Opfer Antimilitarismus

Ein Kessel Buntes. Von Franz Fend

Kommunistische Politik hat eine Antikriegspolitik zu sein oder sie ist keine. Nicht von ungefähr war das erste Dekret der jungen Sowjetunion jenes über den Frieden. Es muss nicht extra betont werden, dass kommunistische Politik den Krieg Russlands gegen die Ukraine verurteilt. Das virulente russische Regime ist ein rechtsextremes, nationalistisches zugespitzt kapitalistisches. Zutiefst unverständlich ist jedoch, wenn die Ablehnung des Krieges zur Solidarisierung mit dem ukrainische Regime führt. Denn dieses ist nicht minder rechtsextrem, nationalistisch zugespitzt kapitalistisch.

Die Frontstellung dieses Krieges als einen der prowestlichen Oligarchen gegen prorussische Oligarchen beschreibt die Sache schon eher, ist allerdings noch immer unzureichend. Wer jetzt mit der blaugelben Flagge herumläuft, ist längst dem Wahnsinn des Nationalismus anheimgefallen. Zumindest ist es aber Heuchelei, wenn die ukrainische Nationalflagge vor sich hergetragen wird wie eine Monstranz. Kommunistische Politik hat antinationalistisch zu sein oder sie ist keine.

Die politischen Kriegsprofiteure sitzen jedoch nicht nur in Moskau. Nicht, dass es besonders überrascht hätte, wie sehr die Eliten hierzulande diesen Krieg herbeigesehnt haben, wie ihn die dazugehörigen Medien herbeibeschworen haben. Schaleks an allen Straßenecken. Die Verwüstungen, welche der Krieg in den Hirnen angerichtet hat, sind auch hier zu diagnostizieren. Wenn dieser Krieg, wie beispielsweise vom „Falter“, als popkulturelles Phänomen beschrieben wird, und Kombattanten in Stile einer H&M- Werbung auf Titelseiten platziert werden, dass ist die Kriegsgeilheit in das pathologische Stadium übergegangen. Das Kriegsgeheul wird unerträglich.

Eines der ersten Opfer dieses Kriegen waren pazifistische und antimilitaristischen Positionen. Sie wurden in den Kriegsländern, aber auch im Rest der Welt marginalisiert. So ist es auf einmal wieder möglich, ohne große Debatten und Widerstand Milliarden in die Hochrüstung der europäischen Armeen zu pulvern. Der Hurra-Patriotismus hat die Stimmen der Vernunft längst übertönt. Wozu es führt, wenn, sich Teile der gesellschaftlichen Linken der Bourgeoisie unterwerfen, das wurde uns 1914 vorgeführt.

Europa ist an der Weggabelung

Walter Baier über Russlands Krieg in der Ukraine.

Dieser Text entstand am zehnten Tag der unter Bruch des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen erfolgten Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine, in der Hoffnung, dass zum Zeitpunkt, da die Zeitung bei den Leser*innen eintrifft, der Krieg beendet ist.

Wir sind mit allen Menschen solidarisch, die unter dem Krieg leiden, die Freund*innen und Verwandte verloren haben, die um Angehörige bangen, die gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen. Wir solidarisieren uns mit der Friedensbewegung in Russland und mit den Desserteure und Wehrdienstverweigerer beider Seiten, die erklären, dass dieser Krieg nicht der ihre ist. Wir fordern für diese Menschen Schutz und Willkommen!

Putins Aggression ist durch nichts (auch nicht durch berechtigte sicherheitspolitische Besorgnisse Russlands) zu rechtfertigen. Materielle Werte können wiederhergestellt werden. Aber jede*r Kriegstote, jede*r Kriegsinvalide und jede zerrissene Familie wird das Zusammenleben der Menschen in dieser geschichtsträchtigen Region Europas auf Jahrzehnte hinaus mit Bitterkeit tränken. In diesem Krieg handelt es sich nicht um die Feindschaft zwischen den russischen und ukrainischen Völkern, sondern um künstlich aufgestachelte Nationalismen, die die Ukraine zum Schauplatz der geopolitischen und imperialistischen Rivalität zwischen der USA und Russland gemacht haben.

Wenn der Krieg beendet sein wird, wird das ukrainische Volk, das sich nicht unterwerfen will, immer noch da sein. Russland wird sein Recht auf einen unabhängigen und selbstbestimmten Staat anerkennen müssen, wie die Ukraine Russlands Recht auf eine sichere, demilitarisierte Grenze akzeptieren muss. Die beste Lösung für diese Situation ist eine militärisch neutrale Ukraine.

Russland ist eine große europäische Nation. Der jetzige Krieg beinhaltet die Gefahr einer unkontrollierten Eskalation bis zu einem mit Atomwaffen geführten Weltkrieg. Westeuropas Machthaber müssen erkennen, dass diese Gefahr nur mit und nicht gegen Russland aus der Welt geschaffen werden kann.

Militaristische Kreise behaupten, dass durch den Krieg in unserer Nachbarschaft Österreichs Neutralität überflüssig wäre. Neutralität bedeutet nicht, zur Aggression zu schweigen, sondern auf sie mit nicht-militärischen, politischen Mitteln zu reagieren. Sie würde ermöglichen, ehrliche Vermittler*in zu sein, Österreich als einen Platz anzubieten, an dem Kriegsgegner miteinander zusammentreffen können.

Während angeblich die Mittel für die Bewältigung der Umweltkrise und für ein pandemiefestes Gesundheitssystem fehlen, werden jetzt gigantische Aufrüstungsprogramme beschlossen. Es ist nicht nur die ungeheure Verschwendung, sondern es beunruhigt vor allem auch die Frage, wo der Krieg, für den aufgerüstet wird, stattfinden soll. In Mitteleuropa?

Frieden und Sicherheit können nur durch eine Friedensordnung geschaffen werden, die die Interessen aller Staaten fair berücksichtigt. Europa steht an einer Weggabelung. Es kann den Weg der Aufrüstung mit dem immer höheren Risiko, dass die aufgehäuften Waffen auch eingesetzt werden, gehen, oder es kann beginnen, den Frieden durch politische Mittel zu sichern, vor allem durch den Abbau der allergefährlichsten in Europa stationierten Waffen, den Atomwaffen.

Noch haben wir die Wahl!

Kriegsgewinnler

Wenn von den aktuellen Kriegsgewinnlern die Rede ist, werden die Rüstung- und Ölkonzerne zuerst genannt. Vergessen wird nur allzu oft auf die heimlichen Kriegsprofiteure, die hierzulande etwa auf dem Ballhausplatz und anderen Regierungssitzen hocken. Sie müssten Putin endlos dankbar sein, denn ginge es nach ihren Leistungen, müsste sie längst im Abtritt der Geschichte verschwunden sein.

So verantwortet diese Regierung mit ihren kapitalkonformen Seuchenpolitik wahrscheinlich mehrere tausende Tote, psychisch erkrankte sonder Zahl. Im Schatten der Kriegsereignisse wird eine asoziale Sozialpolitik vorangetrieben die Massen in die Armut schicken und die jetzt schon Armen umbringen wird. Gleichzeitig wird das völlig sinnlose Bundesheer aufgerüstet, wahrscheinlich nur deshalb, um gerüstet zu sein für den Fall, dass sich die Leute die vorherrschende Politik nicht mehr gefallen lassen.

Beispiele über die realkapitalistische Gegenwart sind in dieser Ausgabe unserer kleinen Postille wieder zuhauf zu finden. Wir wünschen eine anregende Lektüre.

Ihre Café-KPÖ-Redaktion

I kindly demand „America first“

Thomas Roithner über die Außenpolitik des alten und des neuen US-Präsidenten.

Die grundsätzlichste außenpolitische Änderung des neuen Präsidenten wird der Ton sein. Der macht bekanntlich die Musik. Doch das aufzuführende Stück – das politische und ökonomische Interesse der USA – bleibt gleich. „America first“ war Donald Trumps Slogan. Auch Joe Biden wird „America first“ einfordern. Aber eben freundlich und einladend.

Rivalität als Kontinuität: China

Im Verhältnis zu China wird keine grundlegende Entspannung erkennbar werden. Was den Unterschied zu Trump ausmachen wird, ist die Bildung von Allianzen. Biden wird internationale Verbündete suchen, um US-Interessen wirkungsvoller durchzusetzen. Die zu bohrenden Bretter könnten auch dicker werden, weil Joe Bidens China-Politik von Prinzipien geprägt ist und der „Dealmaker“ für seinen Schlingerkurs und das Auskosten des schnellen Erfolges bekannt ist. Trump und Biden gehen – unterschiedlich gewichtet – von einer Großmachtrivalität mit China aus.

Multilateralismus und Abrüstung

Joe Biden wird mehr mit internationalen Partnern reden. Im Vergleich zur offenen Ablehnung von Trump gegenüber UNO, NATO oder internationalen Verträgen wird Biden mehr Erwartungsstabilität entstehen lassen. Die erste Ansage Bidens betrifft den internationalen Klimavertrag. Biden wird mehr sprechen und das vornehmend mit „Like-Minded Nations“.

Auch bilaterale und multilaterale Verträge zur Abrüstung und Rüstungskontrolle wird Biden mehr unter dem Aspekt der Stabilität betrachten. Ablehnend bzw. skeptisch war die bisherige US-Positionierung zum INF (Mittelstreckenraketen-Vertrag), Open Skies (Vertrag über den Offenen Himmel) oder dem JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action) mit dem Iran. NewSTART (Strategische nukleare Rüstungskontrolle) läuft im Februar 2021 mit ungewissem Ergebnis aus und Biden könnte die Karten dafür neu mischen. Am Nein zum Atomwaffenverbotsvertrag wird sich nichts ändern. Erwartbar ist, dass Biden zu Abrüstung und Klimawandel Gesprächskanäle nach Peking öffnet. Gegenüber Russland oder Nordkorea werden Vieraugengespräche zugunsten „harter Währung“ – knallhart überprüfbare Abkommen – zurück- treten. Nationale Interessen bleiben Trumpf.

Im Jahr 2019 belief sich der Anteil der USA an den globalen Militärausgaben auf 38 Prozent. SIPRI schätzte Chinas Anteil auf 14 Prozent und wies für Russland 3,4 Prozent aus. Am Trend der US-Militärausgaben wird sich so wenig ändern wie an den Rüstungsexporten. SIPRI hat einen US-Anteil an den globalen Rüstungsexporten von 36 Prozent errechnet und für China 5,5 Prozent.

Systematik NATO

Trump hat seine transatlantischen Verbündeten mit der Infragestellung der NATO-Beistandsklausel verstört. Er wollte – wie viele US-Präsidenten vor ihm – mehr militärische Beiträge aus Europa. Ob die begonnene geschäftige Debatte zu Rüstung in transatlantischer Harmonie oder als EU-Autonomie verstanden werden kann, wird in Paris und Berlin unterschiedlich betrachtet. Beide Varianten sind keine gute Nachricht für eine Friedenspolitik mit friedlichen Mitteln.

Aber nützt Biden das bisherige rüpelhafte Infragestellen? Wird die Ablehnung des Iran-Deals in einem für die USA vorteilhafteren Abkommen enden? Wird der offene Streit mit China dazu führen, dass die USA Wichtiges für sich regeln können? Setzt sich das System des Rüpels am Ende durch?

Gekürzte Fassung aus unsere-zeitung.at. Thomas Roithner ist Friedensforscher, Privatdozent für Politikwissenschaft und Mitarbeiter im Internationalen Versöhnungsbund, http://www.thomasroithner.at