Kurz-Schluss und Aus

Leo Furtlehner über das Ende von Sebastian Kurz.

Man muss Thomas Schmid dankbar sein, dass er die Kommunikation im engeren Zirkel der „Neuen Volkspartei“ so penibel archiviert hat. Satte 300.000 Chats sind ein Hammer und wer weiß, was dabei noch alles zu Tage gefördert wird.

Ein Untersuchungsausschuss sollte das Ibiza-Abenteuer von Ex-FPÖ-Chef Strache aufarbeiten. Jetzt zeigt sich, dass Strache im Vergleich zu Kurz nur ein Waisenknabe war, was politische Intrige etc. betrifft. Was der FPÖ-Boss weinselig schwadronierte waren Wunschgedanken, während ÖVP-Chef Kurz längst zur Sache geschritten war: Mitterlehner wegputschen, Kanzler werden, war das Ziel. Alles bestens, wären nicht diese unsäglichen Schmid-Chats aufgetaucht.

Maßgeblich dabei war die Anfütterung bestimmter Medien – allen voran Fellners „Österreich“ – mit Inseraten auf Steuerkosten. Getürkte Umfragen als Beigabe konnten dabei nicht schaden. Erfunden hat das System aber schon Werner Faymann als Wiener Wohnbaustadtrat bevor er 2008 Gusenbauer wegputschte, um Kanzler zu werden. Das Geschäft war simpel: Man inseriert mit Steuergeldern in Krawallmedien (Krone, heute, Österreich), als Gegenleistung gibt es wohlgeneigte Berichterstattung.

Kurz als zweimaliger Kanzler – 2017 mit der FPÖ, 2020 mit den Grünen – perfektionierte das System und steigerte es in der Corona-Krise in ungeahnte Höhen. So betrug etwa 2020 die normale Presseförderung 8,7 Mio. Euro (plus 18,8 Mio. einmalige Sonderförderung), der Umfang der Regierungsinserate allein des Bundes 47,3 Mio. Euro.

Dubiose Machinationen

Dem mit eiskalter Message-Control zum Superstar hochstilisierten Kanzler Kurz flogen anfangs die Herzen der käuflichen Journaille zu. Nach seiner heillosen Verstrickung in diverse Korruptionsfälle war aber der Lack ab und eine Absetzbewegung unübersehbar. Ähnlich wie sich schon die „Krone“ nach Ibiza flugs von der FPÖ distanzierte. Denn Medienzaren haben eigene Interessen und wollen nicht im Strudel von Skandalen mit von ihnen früher gepushten Politikern untergehen.

So war Kurz nicht mehr als Kanzler haltbar und die ÖVP musste die Notbremse ziehen. Freilich war der Rücktritt vorerst nur ein Wechsel zum Klubchef, der Neo-Kanzler Schallenberg instrumentalisierte. De facto war Kurz aber politisch erledigt, was ihn nicht hinderte ein Comeback zu betreiben.

Allerdings machte er die Rechnung ohne die schwarzen Landesfürsten. Sein Liebeswerben fand in der ÖVP keine Resonanz mehr. Wohl auch mit der Befürchtung, dass bei der Aufarbeitung der Schmid-Chats Verstrickungen weiterer schwarzer Politiker*innen in dubiose Machinationen zutage treten. Da hat man dann sicher lieber, wenn die ganze Malaise eng begrenzt an der Person Kurz hängenbleibt.

Maßgebliche Größen der Industrie – wie KTM-Pierer – hatten Kurz mit kräftigen Spenden 2017 zum Kanzler gemacht. Dem schnellen Profit so mancher Unternehmen war die türkise Umfärbung der ÖVP kurzfristig zweifellos nützlich. Mit dem Corona-Missmanagement hatte Kurz die Erwartungen vergeigt und konnte nicht mehr entsprechend für das Kapital als die wirkliche Macht im Staate liefern. Da setzt man doch lieber auf Kontinuität statt auf einen Blender.

Das profitgetriebene Wohlwollen der Industrie für Kurz war flüchtig, nun setzt das Kapital zur Wahrnehmung seiner Interessen auf andere. Dass sich der unter Kurz stark nach rechts gedriftete politische Kurs der ÖVP ändert, ist allerdings nicht zu erwarten.

Freunde der Gemeinheit

Ein Kessel Buntes. Von Franz Fend

Als Ende Jänner die zwölfjährige Tina samt Familie nach Georgien abgeschoben worden ist, war die Empörung in der sogenannten Zivilgesellschaft gewaltig. Einerseits hieß es, solle niemand abgeschoben werden, der in Österreich integriert sei. Zumindest sollten keine Kinder abgeschoben werden, meinten andere.

Sie gehörten oft jener Partei an, die, als sie noch die Innenminister stellten, mit dem Abschieben von Flüchtlingen erst so richtig begonnen haben und deren stellvertretende Vorsitzende aktuell und unwidersprochen einen Einwanderungsstopp fordert. Abgesehen von den sozialdemokratischen Krokodilstränen ist die Empörung in vielen Fälle nur allzu fadenscheinig.

Das Insistieren, doch keine Kinder abzuschieben, bedeutet gleichzeitig, dass man mit dem Abschieben aller anderen durchaus einverstanden sei. Und die mehr oder wenig gelungene Integration als Argument gegen Abschiebungen ins Treffen zu führen, bedeutet, die Integration als Werkzeug der Repression zu befürworten. Denn es besagt nichts anderes, dass unterschieden wird in gute und schlechte Flüchtlinge, solche die es verdienen von Krieg, Hunger und Verfolgung verschont zu bleiben und solche die dies nicht verdienen.

Integration ist immer Unterwerfung unter die Launen der Mehrheitsgesellschaft, wobei diese Launen einmal mehr und einmal weniger brutal sind. Wenn Abschiebungen durchgeführt werden, weil die Regierenden von ihrem eigenen Saustall ablenken wollen, zeigt sich zum einen, wie ungeheuerlich grausam das abendländische Tagesgeschäft ist und zum anderen, dass Unterwerfung bis zum Abwinken Abschiebungen nicht verhindern kann. Im Gegenteil, der Applaus der Mehrheitsgesellschaft wächst ins unermessliche. Und jene, die im Rahmen der zivilgesellschaftlichen Proteste die Forderung nach wirklich offenen Grenzen für alle erheben, werden selbst dort marginalisiert.

Und doch ist diese Forderung die Einzige, die dem Regierungsdiskurs von Gesetzlichkeit und Integration, was übersetzt Bestialität und Erbarmungslosigkeit heißt, etwas entgegenzusetzen hätte. Den Grünen und sozialdemokratischen Wichtigtuern könnte man Handke widmen: „Schieben Sie sich ihre Betroffenheit in den Arsch.“

Unter die schwarze Tuchent

Karin Antlanger über die Anpassung der Grünen.

Ich gestehe, ich habe mir bei den letzten Nationalratswahlen gewünscht, dass die Grünen wieder ins Parlament kommen, weil ich sie für eine wichtige Oppositionspartei halte. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass diese sich ausgerechnet mit der türkis-schwarzen Brut auf eine Koalition einlassen.

Hätte ich mir aber denken können. Immerhin waren sie in Oberösterreich schon einmal mit den Schwarzen in einem Regierungsabkommen verbandelt. Und ihr neuer pfäffischer Landeschef Kaineder setzt alles daran, sich bei den nächsten Landtagswahlen wieder mit den Schwarzen unter eine politische Tuchent zu kuscheln.

Zurzeit ist er allerdings damit beschäftigt, sein „Personal“ auszutauschen. Anschober hat ihm schon Platz gemacht, indem er sich nach Wien hat wegloben lassen. Nun hat Kaineder dem langjährigen Klubobmann der Grünen im Landtag, Gottfried Hirz, kein Ticket mehr für die Wahl 2021 ausgestellt und dies mit einer „Verjüngung“ der KandidatInnenliste begründet. Altenbashing bei den Grünen?

Scheinheiligerweise hat der verhinderte Religionslehrer Kaineder Hirz zwar überschwänglich für seine Verdienste um die grüne Landespolitik gehuldigt, schickt diesen aber zwei Jahre vor seiner Pensionierung wieder zurück in den Schuldienst, von dem er schon seit mehr als zwanzig Jahren entwöhnt ist.

Jüngster Anbiederungsversuch an Schwarz-Türkis: Grüne Zustimmung im Landtag zu einem 10-Punkteplan gegen Terrorismus und Islamismus. Gemeinsam mit ÖVP und FPÖ stimmten sie für den Entzug der Staatsbürgerschaft, für Reisebeschränkungen von Gefährdern usw.

Anstatt das völlige Versagen des Verfassungsschutzes aufzuzeigen, wird in einem katholischen Jihadismus der grauenhafte Terroranschlag in Wien zum Anlass genommen, Grund- und Freiheitsrechte generell auszuhebeln. Denn wer definiert, wer ein Gefährder ist?

Ginge es tatsächlich um die Gefährdung der inneren Sicherheit hätte Innenminister Nehammer zurücktreten müssen, da seine Amtsführung nicht minder gefährlich ist.

Im Enddarm der Macht

Als gelernte ÖsterreicherInnen wissen wir, dass die ORF-Sommergespräche nur etwas für MasochistInnen sind. Wer kann, hat zu deren Sendezeit etwas anderes zu tun oder schaltet nach zehn Minuten ab.

Der Blutdruck dankt es, denn entweder sinkt er aufgrund der Fadesse unter die Wahrnehmbarkeit oder er steigt in lebensbedrohliche Höhen wegen des Schwachsinns, der hier von dem einen oder der anderen PolitikerIn verbreitet wird. Es reicht, eine Zusammenfassung derselben am nächsten Tag in der Zeitung zu lesen.

„Die Grünen sind dort, wo sie hingehören, nämlich im Zentrum der Macht“, mit diesem Ausspruch verblüffte Werner Kogler sogar überzeugte Grüne. Das kommt davon, wenn man keine Klassenanalyse hat und glaubt, dass die österreichische Bundesregierung das Zentrum der Macht sei. Aber vielleicht war ihm einfach zu heiß. Fast möchte man die bösen Gerüchte über Alkoholabusus glauben, was natürlich politisch absolut unkorrekt wäre.

Pete Seeger witzelte schon vor vielen Jahren über die unglaubliche Naivität des Wahlvolks indem er sang: „…Our leaders are the finest men and we elect them again and again …That’s what I learned in school today…“

Karin Antlanger

Cartoon: Karl Berger