Ein Brief nach New York

Herr Groll auf Reisen: Groll über die führenden Grünen als die vorbildlichen Bürger

Du hältst an der Columbia University eine Vorlesung über Österreich nach 1945 und begehrst von mir Auskunft über die Geschichte der Grünen, die ich aus der Nähe, du aber nur aus der Ferne deiner großbürgerlichen Herkunft nahe des Schlosses Schönbrunn mitbekommen hast. Außerdem warst du in den Jahren des grünen Aufstiegs in eine polnische Kriminalsoziologin verliebt und verbrachtest mehr Zeit zwischen Danzig und Krakau als in Österreich. Ich beeile mich daher, dir in aller Kürze ein paar Eckdaten zur Geschichte des Grünen über das große Wasser zu schicken.

Politische Beobachter fragen sich seit einiger Zeit, was mit den österreichischen Grünen los ist. Ihre vier Minister melden sich selten zu Wort, finden sich allzu leicht mit dem Ab- schmettern ökologischer Hauptforderungen durch den Koalitionspartner ÖVP ab und erweisen sich auch in früher „grünen“ Themen wie Asylpolitik, Minderheitenschutz, Behindertenpolitik und Frauenpolitik als lame ducks. Du siehst, ich passe mich deiner amerikanischen Sprachumgebung an.

Nicht nur läßt diese Arbeitsauffassung der Grünen zu wünschen übrig, ihre politische Zurückhaltung ist gar nicht nobel, sondern stammt aus dem politischen Supermarktregal mit der Aufschrift „faul & feig“. Augenscheinlich genießen sie die Annehmlichkeiten des so viele Jahre herbeigesehnten Regierungsdaseins. Man wolle gestalten, das Land nach vorne bringen und was der hohlen Phrasen mehr sind, wiederholen grüne Politikerinnen und Politiker. Der Subtext ist indes nicht zu überhören, er lautet: wir wollen an den Futtertrögen bleiben.

So weit, so vertraut von anderen Parteien. Wer sich aber nun verwundert oder empört über die angebliche Wandlung der Grünen zeigt, dem sei ein Blick auf die klassenmäßige Herkunft der Grünen und ihr kulturelles Umfeld empfohlen. Unter ihrer Basis und den Gründungspersonen befanden sich auffallend Kinder aus dem Großbürgertum, die teils linken Splittergruppen anhingen, wenige SPÖ-Dissidenten aber auch rechte Esoteriker, was einige Kommentatoren zu der Einschätzung veranlassten, die Grünen seien die bessere ÖVP-Jugend.

Die Grünen formierten sich seit den 70er Jahren, den Jahren des Protestes gegen den Bau des AKW Zwentendorf im Westen von Wien und sieben Jahre später bei der Verhinderung des Donaukraftwerks Hainburg östlich der Stadt durch die Besetzung der Au. 1986 gelang mit einer Namensliste der Einzug ins Parlament, Jahre der Flügelkämpfe und persönlicher Querelen waren die Folge. 2017 schafften die Grünen die Fünf-Prozent-Hürde nicht und flogen aus dem Parlament. Aber schon zwei Jahre später kehrten sie mit 14 Prozent und 26 Sitzen zurück. 2016 gelang dann der größte Erfolg der grünen Partei durch die Wahl ihres langjährigen Frontmannes, des Volkswirtschaftlers van der Bellen, gegen den Kandidaten der FPÖ. Die Grünen waren an der Spitze des Staates angekommen.

Günter Kerbler, ein Grüner der ersten Stunde, besitzt über tausend Zinshäuser in Wien und anderen Städten Zentraleuropas, er ist ein Fürst der Gentrifizierung. Pius Strobl ist der Zampano im ORF und Medienkonzernen, er beharrt darauf, daß die Mitleidsorgie „Licht ins Dunkel“ nach fünfzig Jahren immer mehr totalitäre Züge auf Kosten behinderter Menschen annimmt. Christoph Chorherr, Planungsstadtrat der Wiener Grünen nahm von den Oligarchen Benko, Tojner, Soravia, Kerbler, Hemetsberger und anderen Spenden und sorgte dafür, daß im Gegenzug Bauwidmungen günstig ausfielen. Mit den Spenden finanzierte er was? Eine Schule für behinderte Kinder in Südafrika.

Die Grünen sind im bürgerlichen Lager verankert. Sie machen es ihren Eltern nach und zeigen dabei alle Tugenden der Klasse. Sie sind nicht skrupellos oder geldgierig, sie heucheln nicht soziales Mitgefühl, sie nutzen öffentliche Funktionen nicht zum eigenen Vorteil, profilieren sich nicht auf Kosten sozial benachteiligter und diskriminierter Gruppen, lassen sich nicht von Glückspielkonzernen kaufen wie Eva Glawischnig, Grünen-Vorsitzende von 2008 bis 2017, sie sind nicht hochmütig oder futterneidig, intrigieren nicht einmal in Notfällen, sammeln nicht Posten um Posten und hohe Einkommen aus politischer Tätigkeit. Sie hinterziehen keine Steuern und sind in keiner Weise korrupt. Mit einem Wort: Die führenden Grünen sind vorbildliche Bürger.

Verehrter Dozent, ich hoffe, Dir gedient zu haben. Beste Grüße von der Donau an den Hudson!

Dein Groll

Ist alles halb so schlimm?

Walter Baier über neofaschistische Tendenzen in Europa und darüber hinaus

Es ist ein Mythos, dass Hitler 1933 die Macht ergriffen habe. Tatsächlich wurde sie ihm frei Haus übergeben. Immerhin verfügten nach den letzten freien Wahlen der Weimarer Republik die beiden Arbeiterparteien SPD und KPD über mehr Mandate als die Nazi-Partei und hätten gemeinsam mit der katholischen Zentrumspartei eine parlamentarische Mehrheit bilden können. Stattdessen aber ernannte der militaristische Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler und ließ den Reichstag auflösen. Der Aufstieg des Diktators war also „aufhaltbar“ (Brecht), hätten Weitsicht und politische Intelligenz der antifaschistischen beziehungsweise nicht-faschistischen Parteien ausgereicht.

Weswegen ist diese Geschichte von aktuellem Wert? Deshalb, weil wir neuerlich von Frankreich über Schweden bis Italien erleben, wie eine Welle die neofaschistischen Parteien nach oben trägt. Dabei sind aber nicht übermächtige, unbekannte Kräfte am Werk, wie die unkritische Berichterstattung der Medien nahelegt. Im Gegenteil. Typischerweise geht der Beteiligung der radikalen Rechten an Regierungen ihre Verharmlosung durch das Establishment voraus. In Italien war es die konservative Forza Italia, die die Nachfolgepartei der neofaschistischen MSI an die Macht hievte, wobei am Schluss sogar der „Standard“ wohlwollend anmerkte, dass davon weder NATO-Kurs noch Sparpolitik der EU beeinträchtigt würden. Entwarnung! Alles halb so schlimm!

Trostlose Wirtschaftslage

Das Anwachsen nationalistischer, radikal rechter Bewegungen ist zudem kein europäisches, sondern ein weltweites Phänomen: Bolsonaro, Trump, Erdogan, Putin, um die auffälligsten Exemplare der Spezies zu nennen. Religiöse Fundamentalismen gehören in dieselbe Kategorie. Das Phänomen lässt sich nicht allein aus der Politik erklären, womit es auch außerhalb des Fokus der Medien liegt. Der ungarisch-österreichische Sozialhistoriker Karl Polanyi hatte 1944 geschrieben, dass der Aufstieg des Faschismus sich im Rhythmus der Auf und Ab der kapitalistischen Krise abgespielt hatte.

So auch heute. Die trostlose wirtschaftliche Lage und die Angst vor sozialem Abstieg von bislang relativ komfortabel auskommenden Mittelschichten zerstören zunehmend die Glaubwürdigkeit des politischen Systems und seiner Repräsentant*innen. Zugespitzt wird die Lage durch die ökologischen Krise und die gefährliche Erhöhung der internationalen Spannungen, sodass sich das Ge- fühl verbreitet, in einem Drama mit ungewissem Ausgang zu leben.

So müssen wir also erst recht von Politik und Kultur reden. Vom Loch nämlich, das der abgewirtschaftete Neoliberalismus in den Hirnen und Herzen hinterlässt, das – wird es nicht durch rationale Denkweisen und eine solidarische Kultur gefüllt – die Gespenster aus der finstersten Zeit wieder aufleben lässt. Diese geistige Leere ist wahrscheinlich die schlimmste Hinterlassenschaft des Neoliberalismus.

Das Beispiel Frankreichs zeigt aber, dass es nicht zwangsweise so sein muss. Wo kämpferische Gewerkschaften, eine breite Umweltbewegung und eine politische Linke, die sich trotz aller Schwierigkeiten zusammenrauft, bestehen, erwachsen dem Neofaschismus mächtige Gegner*innen. Nicht dass ihr Sieg garantiert wäre, aber ohne sie ist die Niederlage gewiss.

Der schwache Mensch

Franz Primetzhofer über Korruption und Kapitalismus

Korruption und das Zurechtbiegen von Macht und Einfluß (nicht nur) der ÖVP sind in einen größeren Rahmen neoliberaler Krisenbewältigungsstrategien eingebettet. Weil herkömmliche Regulierungs- und Herrschaftsinstrumente samt ihren lobbyistischen Zuträgern dem kapitalistischen Verwertungsdruck nicht mehr ausreichend Rechnung tragen.

Das Kapital drängt nach Durchdringung aller Lebensbereiche. In anderen Ländern weitgehend durchgesetzt besteht in Österreich Nachholbedarf. Die geschwächte Sozialpartnerschaft sowie föderale und kommunale Eigeninteressen stören die Durchgriffsambitionen. Das Kapital will Zugriff und Profit auf alles – am liebsten als Monopol. Es geht um einen Umbau von Staat, Institutionen, Justiz, Medien usw.

Ein Putsch wird meist als etwas Gewaltsames, Krachendes gesehen. Doch gibt es auch Spielarten, deren Potenzial nicht von vornherein sichtbar ist und deren allmähliche Verzerrungen erst im Endergebnis erkennbar sind. Kurz & Co. bauten neben der formalen eine informelle Regierung mit „Eingeweihten“ personell durchwegs identisch auf. Eine Verdoppelung, um das bisherige institutionelle Gefüge für das Kapital neu auszurichten: Verachtung und Demütigung des Parlaments, Aushöhlung der Justiz, Demontage der Sozialpartnerschaft, sogar den Kirchen sollte Angst vor den neuen Göttern eingejagt werden.

Verkommene Institutionen

Der Umbau lief gut, die ÖVP feierte ihren Messias ab, die FPÖ machte im Schatten dieses Hypes ihre eigenen Deals, die mediale Öffentlichkeit staunte und klatschte, halbherzig kritische Stimmen erlahmten allmählich. Letztendlich musste ein quasi externer Impuls – das Ibiza-Video – kommen, um diese Putschmaschine zum Verreiben zu bringen. Üblicherweise braucht ein solcher Coup strategische Vorbereitung, ökonomische und politischer Ressourcen, zuverlässiges Personal, internationale Erfahrung und Beratung. Selbst überrascht über schnelle Erfolge ging man rauschartig härtere Brocken an. Letzte schamhafte Bedenken lösten sich auf, klandestines Vorgehen war nicht mehr nötig.

Der Ibiza-Skandal sorgte für Schadenfreude, manche ergötzten sich an Dilettantismus und Banalität der Beteiligten. Alarmierend ist, wie verkommen die Institutionen zur Regulierung des politischen Willens sind, wenn ein so schmieriger Protoputsch inszeniert werden konnte. Diese Gemengelage zeigt die Sehnsucht nach einer starken Hand, die durchgreift, die lähmenden parlamentarischen, föderalen, sozialpartnerschaftlichen Einrichtungen entmündigt.

In dieser Gesellschaft haben die Menschen zwei Seelen in ihrer Brust: Einerseits das nach abstrakter Arbeit, Geld, Staat und Recht zwangsgeformte Subjekt. Andererseits das nach Bedürfnissen, Gefühlen, Empfindungen sorgsam leben wollende soziale Individuum. Macht und Geld sind Hebel, um nach oben zu kommen. Immun gegenüber Erkenntnissen gesellschaftlicher Zusammenhänge und Triebkräfte ist diese Gesellschaft verurteilt, Krisen, Ungerechtigkeiten, politische, wirtschaftliche Verbrechen nicht dem Subjekt, sondern dem Individuum als Versagen zuzuschreiben. Gier, Maßlosigkeit, Verkommenheit, Selbstsucht, Verdorbenheit, Schlechtigkeit usw. würden die Menschen anfällig für Korruption, Machtmissbrauch, politische und wirtschaftliche Verbrechen machen. Nicht die kapitalistische Gesellschaft sei schuld, sondern der schwache Mensch.

Vom Vertrauensverlust zum Verschwörungsglauben

Bernhard Weidinger zu den Coronaprotesten in Österreich.

Schon wenige Monate nach Beginn der Pandemie Anfang 2020 fanden erste Protestkundgebungen gegen deren politische Bearbeitung statt. Anfang 2021 gab es in Wien erstmals fünfstellige TeilnehmerInnenzahlen.

Über den Sommer schliefen die Mobilisierungen ein, um im Herbst – und verstärkt nach Ankündigung der Impfpflicht – in früherer Größe zurückzukehren bzw. diese zu übertreffen. Zusätzlich zu den Demos in Wien fanden und finden auch in Landeshauptstädten und kleineren Gemeinden Protestmärsche statt.

Hinter diesen Mobilisierungen steht keine einheitliche Struktur, sondern eine Vielzahl an lokalen und regionalen Initiativen. Selbst die Demos in Wien bestehen stets aus mehreren Kundgebungen, die sich im Lauf des Tages vereinen. Eine pauschale politische Verortung ist daher nur in groben Zügen möglich – auch wenn zentrale Figuren der Bewegung eine rechtsextreme Vita oder wenig Berührungsängste zum rechten Rand aufweisen.

Die organisierte extreme Rechte ist 2021 auf den Coronaprotestzug aufgesprungen und vermochte fortan regelmäßig, das Außenbild der Demonstrationen durch Frontbanner, Kontrolle der ersten Reihen und Bespielung der Bühnen zu prägen. Zudem spielen rechte bis rechtsextreme „Alternativmedien“ und Social-Media-Kanäle eine wichtige Rolle in der Mobilisierung, medialen Begleitung und Nachbereitung der Proteste. Daneben sind auf den Demonstrationen auch EsoterikerInnen und vereinzelt linke ObskurantInnen anzutreffen.

Die Masse der TeilnehmerInnen wird jedoch von häufig politisch inaktiven und unorganisierten Menschen gestellt. Den kleinsten gemeinsamen Nenner liefert neben Allerweltsphrasen wie „Friede, Freiheit, keine Diktatur“ die Ablehnung der in ihren Grundzügen von einer breiten Koalition aus Regierungsparteien, SPÖ und NEOS, Kammern, Religionsgemeinschaften etc. getragenen Coronapolitik.

Charakteristisches Merkmal der Proteste ist ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber „den Herrschenden“, womit nicht allein aktuell regierende Personen und Parteien gemeint sind, sondern zentrale Institutionen überhaupt: Parlamente, Gerichte, Sozialpartnerschaft, aber auch „Mainstream-Medien“.

Daher überrascht es nicht, dass sich in der Protestszene auch „alternativen Wahrheiten“ – also Verschwörungsfantasien – großer Popularität erfreuen. Als Leitthese fungiert dabei die Sichtweise, es handle sich bei der Pandemie um eine bloße Inszenierung, die dazu diene, lange gehegte Pläne sinistrer Hintergrundmächte umzusetzen.

Mitunter werden diese Mächte offen als jüdisch markiert, oft folgen die Erzählungen der Blaupause antisemitischer Verschwörungsmythen: Vaterlandslose Gesellen („Globalisten“) ziehen im Hintergrund die Fäden, um die ganze Welt ihrer Herrschaft zu unterwerfen, die Völker als solche auslöschen und sich selbst an Macht und Reichtum zu berauschen.

Auch die Holocaust-Relativierung ist in der Coronaprotest-Szene weit verbreitet. Meist nicht über das Kleinreden der NS-Verbrechen, sondern über eine völlig realitätsferne Darstellung aktueller Ereignisse, die mit den NS-Verbrechen auf eine Stufe gestellt werden: Ungeimpfte als „neue Juden“, impfende ÄrztInnen als „Dr. Mengeles“, ein „Nürnberger Tribunal“ für verantwortliche PolitikerInnen, etc. Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) hat zu diesen Phänomenen auf seiner Website (www.doew.at) grundsätzlich Stellung bezogen.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Jahresbericht 2021 der Antisemitismus-Meldestelle der Israelitische Kultusgemeinde Wien (https://antisemitismus-meldestelle.at)

Gerstorfer – ein Polit-Femizid

Karin Antlanger über die Vorgänge in der Landes-SPÖ.

Frauen müssen mehr leisten, um annähernd gleiche Anerkennung dafür zu bekommen wie Männer. Dies ist soweit bekannt. Ebenso die Tatsache, dass Frauen jeder noch so kleine Fehler rasch zum Verhängnis werden kann, wohingegen ein solcher von männlichen Kollegen oft nicht der Rede wert ist.

Birgit Gerstorfer ist sicherlich keine sozialistische Lichtfigur und auch kein Politprofi wie Angela Merkel. Das rechtfertigt aber keinesfalls einen politischen Meuchelmord durch ihre Herren Genossen auf offener Bühne.

Todestrieb der Sozialdemokratie

So wie die oberösterreichische SP mit ihren Frauen in politischen Funktionen umgeht, drängt sich schon mal Sigmund Freuds umstrittener Begriff des Todestriebs auf. Dieser lässt sich mit einem Drang zur Zurückführung in den Zustand der unbelebten Starre, des Stillstands, also des Todes beschreiben und äußert sich auch in Form von Wiederholungszwang.

Wiederholungszwang – man denke nur an Bettina Stadlbauer, die über Nacht als Landesgeschäftsführerin „abgeschossen“ wurde. Oder an Rendi-Wagner, die sich auf Bundesebene mit Quertreibern wie Doskozil oder Dornauer herumschlagen muss.

Luger – der oberösterreichische Doskozil?

Sucht man in Oberösterreich nach Resten des Stalinismus, wird man bei der SPÖ fündig und nicht bei der KPÖ. Es ist kein Geheimnis, dass der Linzer Bürgermeister das Köpferollen in der Landespartei dirigiert hat. Unterstützt von Gewerkschaftern, die nur selten demokratiepolitisch positiv auffallen sowie von karrierebewussten Schleimern.

Luger nahm ein Werbeplakat für die Covid-Impfung, auf dem ein weinendes Kind, das Angst um seine Eltern ausdrücken sollte, zum Anlass, Birgit Gerstorfer und den Landesgeschäftsführer Brockmeyer in die Wüste zu schicken. Dies mit wortgewaltiger Unterstützung durch Gewerkschafter Dietmar Keck, der offenbar stinksauer war, weil in einer Wahlkampfanalyse der SPÖ OÖ den Gewerkschaften ein „Hang zur Besitzstandswahrung“ nachgesagt wurde.

Luger-Vasall rudert zurück

Gerstorfer wurde vorgeworfen, das Plakat im Alleingang mit dem Landesgeschäftsführer in Auftrag gegeben zu haben. Der dritte Landtagspräsident Peter Binder, ein strammer Luger-Wasserträger, hatte noch bei der Vorstellung des Plakats im Rahmen einer Pressekonferenz dafür posiert. Als ihm klar wurde, dass das Plakat zum Anlass genommen wird, Gerstorfer abzumontieren, behauptete er doch glatt, er habe nicht gewusst, was da genau drauf sei.

Und er habe gemeint, das Plakat sei von den Gremien freigegeben worden. Komisch, wo er doch selbst in allen entscheidenden Gremien drinsitzt. Keine gute Vorstellung, wenn man bedenkt, dass ein Landtagspräsident für etwas Werbung macht, worüber er nicht ausreichend informiert ist. Und solche Leute regieren uns! Tragisch genug, dass die SP in ihrer Rückgratlosigkeit einen Kniefall vor dem Impfgegner*innen hingelegt hat.

Es kommt nie was Besseres nach

Dieser Spruch gilt in der Sozialdemokratie schon seit dem Rückzug Bruno Kreiskys. Michael Lindner hat sich gleich zu Beginn mit einer pfäffischen Ansage disqualifiziert, als er bei seiner Inthronisation sagte, er „gehe mit einer guten Portion Demut“ an die Aufgabe des Parteivorsitzenden heran.

Wer, bitte, nimmt auch nur irgendeinem Politiker den phrasenhaften Spruch von der Demut im Amt ab? Oder meinte Lindner die Demut gegenüber seinem Königsmacher Klaus Luger?

Foto: SPÖOÖ

Kurz-Schluss und Aus

Leo Furtlehner über das Ende von Sebastian Kurz.

Man muss Thomas Schmid dankbar sein, dass er die Kommunikation im engeren Zirkel der „Neuen Volkspartei“ so penibel archiviert hat. Satte 300.000 Chats sind ein Hammer und wer weiß, was dabei noch alles zu Tage gefördert wird.

Ein Untersuchungsausschuss sollte das Ibiza-Abenteuer von Ex-FPÖ-Chef Strache aufarbeiten. Jetzt zeigt sich, dass Strache im Vergleich zu Kurz nur ein Waisenknabe war, was politische Intrige etc. betrifft. Was der FPÖ-Boss weinselig schwadronierte waren Wunschgedanken, während ÖVP-Chef Kurz längst zur Sache geschritten war: Mitterlehner wegputschen, Kanzler werden, war das Ziel. Alles bestens, wären nicht diese unsäglichen Schmid-Chats aufgetaucht.

Maßgeblich dabei war die Anfütterung bestimmter Medien – allen voran Fellners „Österreich“ – mit Inseraten auf Steuerkosten. Getürkte Umfragen als Beigabe konnten dabei nicht schaden. Erfunden hat das System aber schon Werner Faymann als Wiener Wohnbaustadtrat bevor er 2008 Gusenbauer wegputschte, um Kanzler zu werden. Das Geschäft war simpel: Man inseriert mit Steuergeldern in Krawallmedien (Krone, heute, Österreich), als Gegenleistung gibt es wohlgeneigte Berichterstattung.

Kurz als zweimaliger Kanzler – 2017 mit der FPÖ, 2020 mit den Grünen – perfektionierte das System und steigerte es in der Corona-Krise in ungeahnte Höhen. So betrug etwa 2020 die normale Presseförderung 8,7 Mio. Euro (plus 18,8 Mio. einmalige Sonderförderung), der Umfang der Regierungsinserate allein des Bundes 47,3 Mio. Euro.

Dubiose Machinationen

Dem mit eiskalter Message-Control zum Superstar hochstilisierten Kanzler Kurz flogen anfangs die Herzen der käuflichen Journaille zu. Nach seiner heillosen Verstrickung in diverse Korruptionsfälle war aber der Lack ab und eine Absetzbewegung unübersehbar. Ähnlich wie sich schon die „Krone“ nach Ibiza flugs von der FPÖ distanzierte. Denn Medienzaren haben eigene Interessen und wollen nicht im Strudel von Skandalen mit von ihnen früher gepushten Politikern untergehen.

So war Kurz nicht mehr als Kanzler haltbar und die ÖVP musste die Notbremse ziehen. Freilich war der Rücktritt vorerst nur ein Wechsel zum Klubchef, der Neo-Kanzler Schallenberg instrumentalisierte. De facto war Kurz aber politisch erledigt, was ihn nicht hinderte ein Comeback zu betreiben.

Allerdings machte er die Rechnung ohne die schwarzen Landesfürsten. Sein Liebeswerben fand in der ÖVP keine Resonanz mehr. Wohl auch mit der Befürchtung, dass bei der Aufarbeitung der Schmid-Chats Verstrickungen weiterer schwarzer Politiker*innen in dubiose Machinationen zutage treten. Da hat man dann sicher lieber, wenn die ganze Malaise eng begrenzt an der Person Kurz hängenbleibt.

Maßgebliche Größen der Industrie – wie KTM-Pierer – hatten Kurz mit kräftigen Spenden 2017 zum Kanzler gemacht. Dem schnellen Profit so mancher Unternehmen war die türkise Umfärbung der ÖVP kurzfristig zweifellos nützlich. Mit dem Corona-Missmanagement hatte Kurz die Erwartungen vergeigt und konnte nicht mehr entsprechend für das Kapital als die wirkliche Macht im Staate liefern. Da setzt man doch lieber auf Kontinuität statt auf einen Blender.

Das profitgetriebene Wohlwollen der Industrie für Kurz war flüchtig, nun setzt das Kapital zur Wahrnehmung seiner Interessen auf andere. Dass sich der unter Kurz stark nach rechts gedriftete politische Kurs der ÖVP ändert, ist allerdings nicht zu erwarten.

Zwei Oberschnorrer

Ein Kessel Buntes. Von Franz Fend.

Es passieren in dieser politisch trüben Zeit Koinzidenzen, die an Bizarrheit kaum zu überbieten sind, die beim Beobachter, selbst in dieser lausigen Lage eine Fröhlichkeit aufkommen lassen.

Da wäre zunächst H.C. Strache, dereinst Führer der am meisten rassistischen Partei, die sich stets in antisozialem Furor gegen jene hervorgetan hat (und tut), die kein Auskommen haben, die hingedroschen hat auf jene die ohnehin ganz unten liegen und die, wo es nur geht, Bettelverbote durchgesetzt hat. Dieser Ex-Parteiführer hat nun in den asozialen Medien einen Spendenaufruf lanciert, der ihn vor dem finanziellen Ruin retten soll.

Dass Strache, der zuletzt monatlich mehr als 19.000 Euro kassiert und sich ein Luxusleben auf Kosten der Allgemeinheit finanzieren ließ, das Publikum anschnorrt, hat ihm Häme eingetragen. Auch wenn es Strache betrifft, einem Bettelverbot würde der Verfasser trotzdem nicht zustimmen.

Gleichzeitig zu Straches Bettelbrief verkündet der ehemalige Minister, Landesrat und Nationalratsabgeordnete Rudolf Anschober, der ebenfalls jahrzehntelang von der Öffentlichkeit hoch alimentiert wurde, ohne dass er von seinen Ressorts jemals nur die geringste Ahnung gehabt hätte, er werde sich nun eine bürgerliche Existenz aufbauen.

Anschober hat dazu bei der „Kronen Zeitung“ als Kolumnist angeheuert. Es handelt sich durchaus um einen kausalen politischen Zusammenhang, dass Anschober in der am meisten rassistischen und der am schärfsten antisozialen Zeitung seine Kolumnen hinmacht. Er ist angekommen, wo er hingehört.

Oder, wie es ein Freund formulierte: „Rudolf Anschober sondert in der heutigen Krone – dort gehört er hin – eine Kolumne ab, die an Unverfrorenheit und Zynismus nicht zu überbieten ist. Ein stilistischer und inhaltlicher Supergau, exemplarisch für diese Grünen und ihn. Es offenbart sich Verderbtheit, Verantwortungslosigkeit und mehr, vor allem, mit Verlaub, Dummheit.“

Karl Kraus würde meinen: „Viele würden in Redaktionen rennen, bedürfte es nicht die spezialste der Gaben. Es genügt nicht keinen Gedanken zu haben: man muss ihn auch ausdrücken können.“ Man sollte korrigieren: Keinen Gedanken haben und ihn nicht ausdrücken können, das macht den Anschober.

Lächeln im Gesicht

Ereignisse, die Linken ein Lächeln ins Gesicht zaubern, sind fürwahr nicht häufig anzutreffen. Da waren die Wahlergebnisse bei den Gemeinderatswahlen in Oberösterreich und in Graz schon willkommen. Der Rücktritt eines Teils der Kurz-Bagage, obwohl ohne Zutun der Linken erfolgt, erwies sich ebenfalls durchaus als Wellness-Moment.

Dass sich an der kapitalistischen Realität, an den Zumutungen, welche diese für uns bereithält, kaum etwas ändern wird, ist ebenfalls hinlänglich bekannt. Denn, wie es Hermann L. Gremliza formulierte: „Wer aus den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts nicht gelernt hat, dass die Bourgeoisie unabwählbar ist, hätte sein Lehrgeld besser versoffen.“

Bis die Kräfteverhältnisse und die Hegemonieverhältnisse es erlauben werden, die Bourgeoisie als herrschende Klasse anzubringen, bleibt nur, sich in radikaler, also grundsätzlicher Kritik zu üben, oder, wie Thomas Ebermann es sagte: „Kurzum: Linke Gesellschaftskritik steht der bürgerlichen Demokratie und ihrer Eigentumsverordnung mit negatorischem Spott und Verachtung gegenüber.“ Diesen negatorischen Spott, dazu möchten wir auch mit dieser Nummer beitragen.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen für die Café KPÖ-Redaktion Franz Fend

Vorzeitlicher Klimaschutz

Leo Furtlehner über das gestörte Verhältnis der ÖVP zum Klima.

Als die grüne Ministerin Gewessler eine Evaluierung der ASFINAG-Straßenprojekte verordnete, orakelte Bundeskanzler Kurz über einen Rückfall in die Steinzeit. Sein Parteifreund LH Stelzer (ÖVP) behauptet hingegen „Uns braucht niemand … zu erklären, dass Klimaschutz wichtig ist und wie Klimaschutz geht“ (Presse, 8.8.2021).

Die Praxis der Landespolitik zeigt allerdings ein massiv gestörtes Verhältnis (nicht nur) der ÖVP zum Klima, obwohl zunehmende Naturexzesse wie Starkregen, Muren und Hochwasser unübersehbare Zeichen an der Wand sind. Denn Oberösterreich ist besonders stark vom Wildwuchs bei der Zersiedelung sowie von einem Übermaß an Versiegelung von Grünland und Leerstand geprägt.

Zudem ist das Land bereits übermotorisiert: Eine halbe Million Menschen pendeln täglich in eine andere Gemeinde, die Autolawine wächst weiter. Österreich hat das dichteste Straßennetz und die höchste Supermarktfläche pro Person europaweit. Doch weiterhin wird dem Autoverkehr Vorrang vor dem Ausbau der Öffis gegeben. Täglich wird Grünland im Ausmaß von 13 Fußballfeldern verbaut, gleichzeitig gibt es 40.000 Hektar Leerstand von Wohnungen, Gewerbeobjekten und Industriearealen. Gehortetes Bauland reicht für Jahrzehnte – es darf kräftig spekuliert werden.

Warum kann in Bayern die Raumordnung Neubauten auf die Ortskerne konzentrieren? Warum ist in der Schweiz ein Taktverkehr bis ins letzte Dorf möglich? Das Versagen der Raumordnung hierzulande ist unübersehbar. Die Forderung, den Gemeinden die Kompetenz als Baubehörde erster Instanz zu entziehen löste wütende Reaktionen der Betonparteien aus. ÖVP-Ministerin Köstinger meinte, es könne „doch nicht jemand in Wien entscheiden, welche Bauklasse ein Grundstück im Südburgenland oder im Ötztal hat“. SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr erklärte assistierend „den Gemeinden könnte keinesfalls die Widmungskompetenz entzogen werden“ (Presse, 14.8.2021).

Radikales Umdenken in der Industrie-, Energie- und Verkehrspolitik sowie in der Raumordnung ist aber entscheidend für eine zukunftsweisende Klimapolitik. Eine Behübschung durch Sonntagsreden oder einen „grünen Kapitalismus“ reicht längst nicht.

Ein bisschen was

Ob das nun einer der Hauptsätze der Thermodynamik ist oder nicht, sei dahingestellt: Warme Luft aus Regierungsmund ist Entropie im Sozialen. Das Chaos im Sozialen hierzulande äußert sich wie zahlreiche Beiträge dieser Ausgabe zeigen, darin, dass den Armen genommen und den Reichen gegeben wird. Also könnte man schon wieder von eine gewissen Ordnung sprechen. Einer Ordnung, die, so versuchen uns die Regierenden täglich weis zu machen, eine natürliche ist und es widernatürlich wäre gegen sie anzugehen. Denn sie schaffen es immer wieder, dass sie gewählt werden. Oder wie Marcuse anmerkte: „Die Ergebnisse moderner Volksabstimmungen beweisen, dass die von der möglichen Wahrheit getrennten Menschen dazu gebracht werden, gegen sich selbst zu stimmen.“

Auch wenn die meisten gegen ihre Interessen wählen, ganz umsonst ist es nicht als Linke zu kandidieren oder diese eben zu wählen. Das zeigen etwa die Gemeinderäte, in welchen die KPÖ vertreten ist: Ein bisschen was geht immer. Und wem das nicht reicht, der/die kann die Linke aus einem anderen Grund wählen: Einfach z’fleiß.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen für die Cafe-KPÖ-Redaktion

Franz Fend