Vor dem Kollaps

Die Situation in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen war bereits vor der Pandemie angespannt. Doch seit knapp zwei Jahren arbeiten große Teile des dortigen Personals am Anschlag. Dennoch ignorieren Landeshauptleute und Bundeskanzler die Hilfeschreie aus den Krankenhäusern oder reden die Lage mit blumigen Worthülsen schön.

Sie zeigen damit klar, dass ihnen das überlastete Personal gleichgültig ist. Dieses bewusste Zögern wird in den kommenden Wochen und Monaten massive Konsequenzen nach sich ziehen: Langzeitkrankenstände, Burn-Out, Kündigungen und Proteste werden sich massiv erhöhen. Dadurch wird es immer noch schwieriger werden die Dienstpläne einzuteilen. Ganz zu schweigen davon, dass die in der vierten Coronawelle verschobenen Operationen irgendwann nachgeholt werden müssen.

Eine deutlich höhere Entlohnung, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, eine sofortige Ausbildungs- und Personaloffensive inklusive Bezahlung der Ausbildungskosten können die unmittelbar notwendigen Maßnahmen gegen die Pandemie nicht ersetzen. Aber sie wären ein enorm wichtiges Signal an alle (potenziellen) Mitarbeiter*innen für die Zukunft.

Peter März

Pflegegeld futsch?

Als die oberösterreichische Soziallandesrätin Gerstorfer gemeinsam mit ihrem Wiener Amtskollegen Hacker lärmend durch das Land zog und verkündete, dass sie die Pflege zu reformieren beabsichtigte war schon Schlimmes zu befürchten. Was auch prompt eingetreten ist. Denn nebst zahlreichen nichts sagenden Allgemeinplätzen war die einzige konkrete Maßnahme die Abschaffung des Pflegegeldes. Ausgerechnet des Pflegegeldes, das, dem Gesetzestext zufolge, pauschalierte Mehraufwendungen abdecke um pflegebedürftigen Personen die Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben zu verbessern. Selbstbestimmtes Leben, das ist es, was allen Beteiligten aus Politik und Verwaltung offensichtlich am meisten gegen den Strich geht.

Erwin Riess, Schriftsteller und Behindertenaktivist, merkte bereits 2004 zu den beharrlichen Angriffen auf das Pflegegeld an: „…die Behinderten macht man wieder zu Anhängsel der Sozialbürokratie, zu entrechteten, entmündigten und machtlosen Defektwesen.“ Und dann sei der Schritt zur Debatte zu Euthanasiegesetzen nicht weit.

Dass ausgerechnet die Sozialdemokratie diese Vorschläge lanciert ist bemerkenswert. Es entspringt dem dringenden Bedürfnis nach dem Schuss ins eigene Knie.

Franz Fend