Krasse Differenzen

Heike Fischer über den Jammer mit den Equal Days

Vor zehn, zwölf Jahren noch war oft die Frage zu hören „Was ist denn ein Equal Pay Day?“. Mittlerweile ist er in aller Munde – mal im Februar, auch im September, Oktober und neuerdings auch im Juli, August als Equal Pension Day.

Eines haben sie alle gemeinsam: Sie zeigen die großen Einkommensunterschiede der Geschlechter auf mit dem Fazit, dass die Frauen dabei schlecht abschneiden. Gemessen im Februar haben Frauen symbolisch bis dahin unbezahlt gearbeitet. Gemessen im Oktober, arbeiten Frauen ab da gratis – immer ausgehend vom durchschnittlichen Bruttoverdienst beider Geschlechter. Beim Equal Pension Day, der heuer auf den 1. August fiel, hatten Männer bereits so viel Pension erhalten wie Frauen bis zum Ende des ganzen Jahres erhalten werden.

Die Ursachen dafür werden hinlänglich kommuniziert und interpretiert. Zum einen ist es die unterschiedliche Berufswahl. Meist sind es Frauen, die in schlecht bezahlten Branchen wie Gesundheit, Pflege, Handel und Dienstleistungen schuften. Und in denen oft auch nur Teilzeitjobs angeboten werden. Zum anderen sind familienbedingte Unterbrechungen eine Ursache. Sind es doch meistens die Frauen, die bei den Kindern daheim bleiben, sich um den Haushalt kümmern oder Angehörige pflegen. Die logische Folge ist ein entschieden geringeres Erwerbseinkommen der Frauen und damit auch eine deutlich geringere Pension.

All diese Equal Days klären uns regelmäßig darüber auf, wie und warum in unserer Gesellschaft Frauen benachteiligt werden. Manchmal blitzt ein wenig Freude auf, weil sich die Equal Days um ein, zwei Tage Richtung Angleichung zu Männern und zu Gerechtigkeit hin verschoben haben. Aber große Sprünge sind das längst noch nicht.

Auffällig ist, dass die Equal Days-Aktionstage fast ausschließlich von Frauen an die Öffentlichkeit gebracht werden, sei es in Interviews, Statements oder Straßenaktionen. Wogegen scheinbar die Männer das Thema locker nehmen (können). Aber nur gemeinsam können „Frauenjobs“ finanziell aufgewertet werden und eine gerechte Aufteilung der unbezahlten Arbeit erfolgen. Ein geeigneter Ansatz dafür wäre eine generelle Arbeitszeitverkürzung. Diese nützt allen was und bewirkt in logischer Folge auch eine wirksame Angleichung der Einkommen.

Spirale nach unten

Karin Antlanger über die Teilzeitpläne von ÖGB und AK.

Ausgerechnet zum Equal-Pension-Day gingen Arbeiterkammer und ÖGB mit einer Forderung in die Offensive, die sogar bei Bürgerlichen für Kopfschütteln sorgte: Eltern, die beide Teilzeit arbeiten, sollen einen Bonus von monatlich 250 Euro bekommen, wenn sie ihre Arbeitszeit auf 28 bis 32 Stunden pro Woche reduzieren.

Das ganze bis zum vierten Geburtstag des Kindes. Dadurch solle Familienarbeit besser aufgeteilt werden. Auch Alleinerziehende sollten diesen Bonus bekommen – wer dann allerdings die zweite Hälfte der Familienarbeit übernehmen soll, wird nicht gesagt.

Oberösterreich hat die Nase vorn – die Frauen haben das Nachsehen: Die Männerpensionen liegen um 200 Euro über dem Bundesdurchschnitt. Es gibt bundesweit die niedrigsten Frauenpensionen. Im Verhältnis sind am wenigsten Frauen pensionsversichert. Oberösterreich hat die niedrigste Betreuungsquote bei unter Dreijährigen.

Und all das in einem „Industrieland“, das angeblich so gut durch die Krise(n) gelenkt wurde. Wozu sollen die Frauen denn Vollzeit arbeiten, wenn die Männer in der Metallindustrie eh genug verdienen? Wozu überhaupt arbeiten, wenn der Alte eh die Kohle nach Hause bringt?

Und wozu soll sich eine Gewerkschaft noch für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn stark machen, wenn die Menschen doch freiwillig eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnkürzung hinnehmen? Nur weil der ÖGB seit 45 Jahren keine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung erreichte, habe er sich von dieser mehr als überfälligen Maßnahme in der Praxis endgültig verabschiedet.

Angriff auf Pensionssystem

Dass die vorgeschlagene Familien-Teilzeitarbeit nicht nur die Pensionen der Betroffenen kürzt, sondern auch das Pensionsversicherungssystem ins Schwanken bringt, da bei Teilzeitarbeit auch weniger Versicherungsbeiträge eingezahlt werden, ist Gewerkschafts- und AK-Funktionär*innen entweder nicht bewusst oder sie nehmen es in Kauf.

Oder setzen sie auf private Pensionsvorsorge? Das wäre mindestens ebenso fahrlässig wie unverantwortlich. Es stellt sich immer mehr die Frage, wessen Interessen diese Funktionär*innen wirklich im Fokus haben.

Der Anteil der Männer, die in Karenz gehen, ist nach wie vor gering. Wen wundert’s? Sind doch die finanziellen Einbußen für Männer meist so viel höher als für die im Schnitt viel geringer entlohnten Frauen. Da würde auch ein Familienbonus von 250 Euro nicht viel dran ändern. Was sich aber tatsächlich ändern würde, wäre, dass Frauen dadurch kaum mehr Pension bekämen, dafür aber die Männer weniger.

Ist das die Gleichheit, auf die AK und ÖGB hinarbeiten? Nicht gleicher Lohn für gleiche Arbeit und damit Anhebung der Fraueneinkommen, sondern gleich wenig für alle, auch für Männer, also eine Nivellierung nach unten. Und das Thema Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn für alle Beschäftigten würden sie damit auch unter den (Verhandlungs-)Tisch fallen lassen.

So lange es keine flächendeckenden, qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungseinrichtungen auch für unter 3-jährige gibt, und solange den Frauen immer noch ein schlechtes Gewissen eingeredet wird, wenn sie Vollzeit berufstätig sind, wird es keine Chancengleichheit und existenzsichernde Alterspensionen für Frauen geben. Und die Forderung nach einer 30-Stundenwoche wird den Gewerkschafter*innen weiterhin wie ein pornografischer Witz die Schamesröte ins Gesicht treiben.

Ran an die Kohle

Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geissler brachte es auf den Punkt: „Die Diskussion über die Rente ist nichts anderes als der gigantische Versuch der Lebensversicherungen an das Geld der Leute heranzukommen“.

Die „Denkfabrik“ Agenda Austria bestätigte das mit ihrem jüngsten Vorstoß für eine Pensionsreform. Die neoliberalen „Vordenker“ wollen das Pensionsalter auf 67 Jahre hinaufsetzen und laufend an die Lebenserwartung anpassen. Vor allem wollen sie die private Vorsorge der betrieblichen und privaten zweiten und dritten Säule weiter forcieren.

In den alarmistischen Aussagen wird unterschlagen, dass von den 24 Mrd. Euro Bundesbeitrag zu den Pensionen 10,8 Mrd. Euro als Dienstgeberbeitrag auf die Beamtenpension entfallen. Verschwiegen wird auch, dass der Zuschuss bei ASVG-Versicherten nur 11,3 Prozent (Stand 2017) beträgt, hingegen bei den Selbständigen 36,9 Prozent und bei den Bauern sogar 86,1 Prozent.

Während bei der betrieblichen und privaten Vorsorge über den Kapitalmarkt Banken, Versicherungen und Pensionskassen über Dividenden und Verwaltungskosten abkassieren, haben die Versicherten laufend das Nachsehen. Der Kapitalmarkt ist also keine Alternative zum Umlagesystem.

Leo Furtlehner