Ein einziger Parcours d’Elegance

Herr Groll auf Reisen: Was Herr Groll mit dem Fall Teichtmeister zu tun hat? Von Erwin Riess

Der Dozent hatte Freund Groll in ein Tankstellencafé in der Brünner Straße bestellt. Es gelte, eine Sache von einiger Relevanz zu besprechen. „Wieso so umständlich?“ fragte Herr Groll und bestellte eine Leberkässemmel zum Espresso.

„Darf ich Sie darauf hinweisen, daß Ihre Semmel die Anforderungen an ein gesundes und nachhaltiges Essen nicht erfüllt”, tadelte der Dozent.

Herr Groll schenkte seinem Freund ein kumpelhaftes Lächeln.

„Ich habe Sie hierhergebeten, um mit Ihnen über den Fall Teichtmeister zu sprechen.“

Kinderpornografie sei nicht seine Sache, entgegnete Herr Groll.

„Ich erinnere mich, daß der ORF vor einigen Jahren ein Drehbuch für einen Groll-Film bei Ihnen bestellte“, fuhr der Dozent fort. „Sie haben lang an dem Buch gearbeitet und wurden von einer Besprechung mit den ORF-Herren zur nächsten immer verzagter, weil laufend neue Wünsche der Redakteure auf den Tisch kamen, die alles bisher Erarbeitete über den Haufen warfen. Und ich erinnere mich, daß Sie recht bald die Ursache für das Chaos identifiziert hatten. Es war nicht die eine oder andere Wendung in Ihrem Drehbuch, die auf Widerspruch stieß, es war die Hauptfigur, jene des rollstuhlfahrenden Privatermittlers. Sie! Die leitenden Herrn vom Fernsehspiel waren von der Figur des Groll begeistert, ein aufmüpfiger und mit allen Wassern gewaschener Rollstuhlfahrer als Ermittler, das war für den verschlafenen ORF eine unerhörte Sache.“

„Mit großer Verve arbeiten die leitenden Redakteure ihr Programm ab. Von Ihrem Groll darf nichts übrigbleiben, Groll wird all seiner Attribute des Widerstands gegen eine Umwelt voller Barrieren entkleidet, übrig bleibt ein mitleiderregendes Hascherl, das mit dieser Haltung zur Welt auf freier Wildbahn keine drei Tage überleben würde. Groll hat keine behinderten Freunde, die, das weiß ich aus den Jahren mit Ihnen, über die Ebene der Freundschaft hinaus auch als Informationsdrehscheibe dienen, er hat keine Freundin und keine Sexualität und politisch ist er ein kreuzbraver Anbeter der herrschenden Verhältnisse. Im Katechismus der katholischen Kirche – die Redaktion besorgte der Wiener Kardinal Schönborn im Auftrag des polnischen Papstes – wird behinderten Menschen genau diese Aufgabe zugeschrieben: kein Protest, keine Kritik, denn behinderte Menschen tragen auch das Leid der anderen mit sich, sind sozusagen kleine Christusse auf dem Weg zum Heil. Da ziemt es sich nicht, gegen sein Schicksal aufzubegehren.“ „Trefflich formuliert“, lobte Groll.

„Das Drehbuch wurde abgeschlossen und bezahlt. Und wenig später wurde um eine Figur, die wie ein Ei dem anderem Ihrer Figur gleicht, eine mehrteilige Fernsehserie verwirklicht, ‚Die Toten von Salzburg‘. Als Hauptdarsteller verpflichtete man den bekannten Florian Teichtmeister. Er gibt einen Major im Rollstuhl.“

Groll nickte. „Im Sinne seiner Auftraggeber macht Teichtmeister alles richtig. Er sitzt falsch im Rollstuhl, man sieht nie, wie er allein den Rollstuhl aus dem Auto holt, man erfährt nicht, wie und wo er kathetert, man sieht ihn nie betrunken auf dem Boden liegen, sein Leben scheint ein einziger Parcours d’Elegance zu sein. Behindertenparkplätze sind für ihn grundsätzlich frei, jedes Lokal weist berollbare Toiletten auf, mißgünstige oder anstarrende Blicke prallen an ihm ab. Schon die Ausgangsposition ist verlogen und unrealistisch. Daß ein Rollstuhlfahrer Leiter der Mordabteilung wird, ist bei der österreichischen Bürokratie ausgeschlossen, eher geht ein FPÖ-Mann bei den Sternsingern mit. Überhaupt scheint es für den rollenden Tausendsassa keinerlei Barrieren zu geben. Was in der mittelalterlichen Altstadt von Salzburg keine geringe Leistung ist. Zusammengefasst: Teichtmeister liefert eine blutleere Figur mit allen Klischees der Darstellung behinderter Menschen im Öffentlich-rechtlichen Fernsehen ab. Gerade in Ös- terreich, dem Land der Hörbigers und der Trapp-Familie fördert diese Art von Verlogenheit die Popularität des Schauspielers ungemein.“

„Und jetzt wird dieser Teichtmeister des Besitzes von zigtausenden Videos überführt, die sexuelle Gewalt an Kindern zeigen“, warf Herr Groll ein. „Die existenzielle Fallhöhe, ein Lieblingsbegriff von Dramaturgen und Redakteuren, könnte größer nicht sein. Fazit ist; der brave Polizist steckt tief im Kriminal. Empfinden Sie Schadenfreude?“

Herr Groll schüttelte den Kopf. „Wenn ich an die mißbrauchten Kinder aus Teichtmeisters Videothek denke, verbietet sich das.“

Objektivität Marke ORF

Der ORF rühmt sich seiner journalistischen Seriosität und Objektivität. De facto wurde er in 15 Jahren Generalintendanz des „ursprünglichen Sozialdemokraten“ Wrabetz zu einem „Privatsender im Kleid des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ (OÖN, 7.5.2021).

In „Oberösterreich heute“ wurde am Abend des 1. Mai über den nicht stattgefundenen Maiaufmarsch der SPÖ berichtet. Totgeschwiegen wurde die tatsächlich stattgefundene Maidemo der KPÖ, der Mayday2021. Die rote Einfärbung des Linzer Hauptplatzes durch Roboter – für den zum Sozialliberalen gewendeten Innovations-Bürgermeister Luger offenbar das neue Proletariat der SPÖ – hatte Vorrang vor der linken Maidemo.

Zur Beschwerde über diese Missachtung des Informationsauftrages des ORF durch KPÖ-Landessprecher Schmida antwortete Chefredakteur Obereder, dass im Radio Oberösterreich zweimal die Maidemo angekündigt wurde. Im Klartext: Fernsehen gibt es nur für etablierte Parteien, die anderen werden mit einer Radiomeldung abgespeist.

So wird das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF untergraben. Und man fragt sich, wofür man die GIS-Gebühr zur Finanzierung des ORF zahlt.

Cartoon: Karl Berger, http://www.zeichenware.at

Medialer Amoklauf

Karin Antlanger über ORF und Boulevard.

Der jihadistische Amoklauf in Wien vom 2. November ließ die österreichischen Boulevardblätter und TV-Privatsender wieder mal zu ihrer hässlichsten Hochform auflaufen. Fellners oe24.TV strahlte kurz nach den Attentaten Handy-Videos von Augenzeugen aus, die zeigten, wie auf Menschen geschossen wurde bzw. wurden auch Aufnahmen von Verletzten im genannten Schmuddel-TV-Sender gezeigt.

Auch auf der Website der Kronen-Zeitung fanden sich solche Videos. Diese Sensationsgeilheit à la „Bild sprach als Erste mit der Leiche“ führte dazu, dass etliche Großunternehmen wie Billa, Spar, Ikea, ÖBB und andere ihre Werbeeinschaltungen bei diesen Medien (zumindest vorübergehend) stoppten.

Und das war gut so, denn man muss diese Krawallmedien dort treffen, wo es am meisten weh tut: nein, nicht bei der journalistischen Ehre, sondern beim Geld! Die Streichung sämtlicher Presseförderungen für zumindest ein Jahr wäre eine angemessene Sanktion für derartiges journalistisches Fehlverhalten.

Aber auch der ORF ist nicht weit entfernt vom Boulevard: unterbrach er doch am 2. November sein Hauptabendprogramm und sendete von 21 bis 2:30 Uhr in der Früh eine ZIB Spezial, in der quasi in einer Endlosschleife abwechselnd von Orten der Ereignisse und aus dem Polizeiquartier berichtet wurde. Wobei „berichtet“ übertrieben ist, da überwiegend Menschen interviewt wurden, die „berichteten“, dass sie eigentlich auch nichts Genaueres wüssten, aber vielleicht, eventuell…

Diese fünfeinhalbstündige Kaffeesudleserei des ORF führte dazu, dass vor allem bei der älteren Landbevölkerung wieder mal der absurde Eindruck geschürt wurde, Wien sei ein gefährliches Pflaster, man könne dort kaum unverletzt durch die Stadt kommen und müsse in den Abendstunden unweigerlich einem Verbrechen zum Opfer fallen.

Es war absolut unseriös, stundenlang und redundant Unwissenheit und Unsicherheit auszustrahlen. Vielmehr hätten kurze, stündliche 5-Minuten-Berichte gereicht, diese mit dem Hinweis, dass die Ermittlungen noch im Gange sind. Vielleicht sollte man den ORF auch monetär für solche Fehlberichterstattung strafen.