Keine Entschlossenheit

Stefanie Breinlinger zur KV-Herbstlohnrunde 2022

Die letzten KV-Abschlüsse muten ungewohnt hoch an. Angesichts der hohen Inflation (Jänner 2023: Elf Prozent) kam es allerdings zu einem Reallohnverlust. Dies rührt auch daher, dass weiterhin die „rollierende“ Inflation – der Durchschnitt der letzten zwölf Monate – als Basis herangezogen wird.

Der ÖGB kündigte kämpferisch an, kein KV-Abschluss dürfe unter 2.000 Euro brutto ausfallen. Bei den KV- Abschlüssen seit September erreichten aber nur fünf in allen Beschäftigungsgruppen die 2.000 Euro (drei davon waren schon vorher darüber). Der Metallbereich, der traditionell die Lohnrunde eröffnet und als Vorgabe gilt, schloss mit 5,4 Prozent auf Ist-Löhne und einen Fixbetrag von 75 Euro bzw. sieben Prozent auf die KV-Löhne enttäuschend ab und stellte damit höhere Lohn-Forderungen anderer Branchen in Frage.

Die ÖBB führten einen 24-stündigen Warnstreik durch: Das Ergebnis: 210 Euro monatlich mehr. Ab Juli 2023 wird sich der Fixbetrag auf 250, ab Dezember 2023 auf 280 Euro erhöhen. Im Februar 2024 werden die Löhne um die Inflationsrate, jedoch um mindestens 190 Euro erhöht. Erstmals führte die Gewerkschaft vida eine Mitgliederbefragung zum KV-Ergebnis durch, die 87 Prozent Zustimmung ergab. Der Zweijahres-Abschluss erschwert es jedoch, am Arbeitskampf dranzubleiben. Da die westbahn die Infrastruktur der ÖBB nutzt, konnte diese während der Dauer des Streiks nicht verkehren. Der Betriebsrat der westbahn brüstete sich auch damit, am Streik nicht teilzunehmen.

Im Handel kam es trotz Streikbeschluss, guter Beteiligung an Betriebsversammlungen und öffentlichen Kundgebungen nicht zum Streik. Der Abschluss brachte sieben Prozent bzw. 145 Euro Fixbetrag. Die sechste Urlaubswoche und Arbeitszeitverkürzung müssen war- ten. Ein höherer Abschluss hätte der Niedriglohn-Branche, in der vor allem Frauen tätig sind, gut getan.

Der KV-Abschluss Sozialwirtschaft brachte durchschnittlich acht Prozent (untere Verwendungsgruppen bis 10,2 Prozent), mindestens aber 175 Euro Erhöhung. Eine kräftigere Erhöhung wäre dringend nötig gewesen. Im Vorfeld engagierten sich viele Kolleg*innen an Aktionen und bekundeten bei Betriebsversammlungen ihre Streikbereitschaft – zu Streiks kam es jedoch nicht.

Schläfst du schon?

Thomas Erlach über die Lohnpolitik des ÖGB

Der ÖGB ist laut eigener Definition die Kampforganisation der Arbeiter*innenbewegung. Große Kämpfe sind aber keine in Sicht. Ganz im Gegenteil. Der ÖGB beschränkt sich darauf Positionen zu äußern, ohne diese dann von irgendwelchen Maßnahmen begleitet zur Durchsetzung zu bringen. Wirtschaftskammerpräsident Mahrer verkündet stolz das Ende des Klassenkampfes, weil er meint, die Wirtschaftskammer hätte diesen gewonnen. Wir Kommunist*innen wissen, dass das nicht stimmen kann, weil laut Marx der Klassenkampf erst vorbei ist, wenn die Produktions- mittel in Händen der Produzierenden sind. Da sind wir leider ganz weit weg davon.

In Jahrzehnten der sogenannten Sozialpartnerschaft hat sich der ÖGB zu einem Dienstleister entwickelt, der für die Mitglieder aktiv ist und so eine weitgehende Entpolitisierung der Arbeitnehmer*innen erreicht hat. Gutes Beispiel dafür sind die Kollektivvertragsverhandlungen, von denen leider nur wenige so verlaufen, dass die Arbeitnehmer*innen durch Kampfmaßnahmen zu einem besseren Ergebnis beitragen dürfen. Dabei gibt es derzeit große Themen, die große gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen erfordern würden. Zuallererst würde anstehen wirksame Maßnahmen gegen die Teuerung durchzusetzen. Dann sollten wir uns die Macht in unserer Sozialversicherung wieder zurückzuholen. Die Regierung hat sich hier ein schweres Foul geleistet.

Der GLB hat sich damals vergeblich für einen Generalstreik eingesetzt. Es kam aber zu keinen wirklichen Protestmaßnahmen. Der 12-Stundentag und die 60-Stundenwoche gelten immer noch. Es gab keine nennenswerten Proteste. Dabei fordert der ÖGB seit Jahrzehnten eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden, die natürlich nicht vom Himmel fällt, sondern nur durch starke Kampfmaßnahmen durchsetzbar sein wird. Wir müssen die Politik endlich wieder auf die Straße bringen. Der ÖGB soll endlich aufwachen und sich an die Kraft seiner Mitglieder erinnern, und diese wieder aktiv werden lassen. Viele sind schon aus der Übung in der Beteiligung an Arbeitskämpfen Es braucht wieder große Mobilisierungen. Beginnen wir endlich damit. Das würde die österreichische Gewerkschaftsbewegung stärken und unsere Lebensbedingungen deutlich verbessern.