Ein einziger Parcours d’Elegance

Herr Groll auf Reisen: Was Herr Groll mit dem Fall Teichtmeister zu tun hat? Von Erwin Riess

Der Dozent hatte Freund Groll in ein Tankstellencafé in der Brünner Straße bestellt. Es gelte, eine Sache von einiger Relevanz zu besprechen. „Wieso so umständlich?“ fragte Herr Groll und bestellte eine Leberkässemmel zum Espresso.

„Darf ich Sie darauf hinweisen, daß Ihre Semmel die Anforderungen an ein gesundes und nachhaltiges Essen nicht erfüllt”, tadelte der Dozent.

Herr Groll schenkte seinem Freund ein kumpelhaftes Lächeln.

„Ich habe Sie hierhergebeten, um mit Ihnen über den Fall Teichtmeister zu sprechen.“

Kinderpornografie sei nicht seine Sache, entgegnete Herr Groll.

„Ich erinnere mich, daß der ORF vor einigen Jahren ein Drehbuch für einen Groll-Film bei Ihnen bestellte“, fuhr der Dozent fort. „Sie haben lang an dem Buch gearbeitet und wurden von einer Besprechung mit den ORF-Herren zur nächsten immer verzagter, weil laufend neue Wünsche der Redakteure auf den Tisch kamen, die alles bisher Erarbeitete über den Haufen warfen. Und ich erinnere mich, daß Sie recht bald die Ursache für das Chaos identifiziert hatten. Es war nicht die eine oder andere Wendung in Ihrem Drehbuch, die auf Widerspruch stieß, es war die Hauptfigur, jene des rollstuhlfahrenden Privatermittlers. Sie! Die leitenden Herrn vom Fernsehspiel waren von der Figur des Groll begeistert, ein aufmüpfiger und mit allen Wassern gewaschener Rollstuhlfahrer als Ermittler, das war für den verschlafenen ORF eine unerhörte Sache.“

„Mit großer Verve arbeiten die leitenden Redakteure ihr Programm ab. Von Ihrem Groll darf nichts übrigbleiben, Groll wird all seiner Attribute des Widerstands gegen eine Umwelt voller Barrieren entkleidet, übrig bleibt ein mitleiderregendes Hascherl, das mit dieser Haltung zur Welt auf freier Wildbahn keine drei Tage überleben würde. Groll hat keine behinderten Freunde, die, das weiß ich aus den Jahren mit Ihnen, über die Ebene der Freundschaft hinaus auch als Informationsdrehscheibe dienen, er hat keine Freundin und keine Sexualität und politisch ist er ein kreuzbraver Anbeter der herrschenden Verhältnisse. Im Katechismus der katholischen Kirche – die Redaktion besorgte der Wiener Kardinal Schönborn im Auftrag des polnischen Papstes – wird behinderten Menschen genau diese Aufgabe zugeschrieben: kein Protest, keine Kritik, denn behinderte Menschen tragen auch das Leid der anderen mit sich, sind sozusagen kleine Christusse auf dem Weg zum Heil. Da ziemt es sich nicht, gegen sein Schicksal aufzubegehren.“ „Trefflich formuliert“, lobte Groll.

„Das Drehbuch wurde abgeschlossen und bezahlt. Und wenig später wurde um eine Figur, die wie ein Ei dem anderem Ihrer Figur gleicht, eine mehrteilige Fernsehserie verwirklicht, ‚Die Toten von Salzburg‘. Als Hauptdarsteller verpflichtete man den bekannten Florian Teichtmeister. Er gibt einen Major im Rollstuhl.“

Groll nickte. „Im Sinne seiner Auftraggeber macht Teichtmeister alles richtig. Er sitzt falsch im Rollstuhl, man sieht nie, wie er allein den Rollstuhl aus dem Auto holt, man erfährt nicht, wie und wo er kathetert, man sieht ihn nie betrunken auf dem Boden liegen, sein Leben scheint ein einziger Parcours d’Elegance zu sein. Behindertenparkplätze sind für ihn grundsätzlich frei, jedes Lokal weist berollbare Toiletten auf, mißgünstige oder anstarrende Blicke prallen an ihm ab. Schon die Ausgangsposition ist verlogen und unrealistisch. Daß ein Rollstuhlfahrer Leiter der Mordabteilung wird, ist bei der österreichischen Bürokratie ausgeschlossen, eher geht ein FPÖ-Mann bei den Sternsingern mit. Überhaupt scheint es für den rollenden Tausendsassa keinerlei Barrieren zu geben. Was in der mittelalterlichen Altstadt von Salzburg keine geringe Leistung ist. Zusammengefasst: Teichtmeister liefert eine blutleere Figur mit allen Klischees der Darstellung behinderter Menschen im Öffentlich-rechtlichen Fernsehen ab. Gerade in Ös- terreich, dem Land der Hörbigers und der Trapp-Familie fördert diese Art von Verlogenheit die Popularität des Schauspielers ungemein.“

„Und jetzt wird dieser Teichtmeister des Besitzes von zigtausenden Videos überführt, die sexuelle Gewalt an Kindern zeigen“, warf Herr Groll ein. „Die existenzielle Fallhöhe, ein Lieblingsbegriff von Dramaturgen und Redakteuren, könnte größer nicht sein. Fazit ist; der brave Polizist steckt tief im Kriminal. Empfinden Sie Schadenfreude?“

Herr Groll schüttelte den Kopf. „Wenn ich an die mißbrauchten Kinder aus Teichtmeisters Videothek denke, verbietet sich das.“

Ein Brief nach New York

Herr Groll auf Reisen: Groll über die führenden Grünen als die vorbildlichen Bürger

Du hältst an der Columbia University eine Vorlesung über Österreich nach 1945 und begehrst von mir Auskunft über die Geschichte der Grünen, die ich aus der Nähe, du aber nur aus der Ferne deiner großbürgerlichen Herkunft nahe des Schlosses Schönbrunn mitbekommen hast. Außerdem warst du in den Jahren des grünen Aufstiegs in eine polnische Kriminalsoziologin verliebt und verbrachtest mehr Zeit zwischen Danzig und Krakau als in Österreich. Ich beeile mich daher, dir in aller Kürze ein paar Eckdaten zur Geschichte des Grünen über das große Wasser zu schicken.

Politische Beobachter fragen sich seit einiger Zeit, was mit den österreichischen Grünen los ist. Ihre vier Minister melden sich selten zu Wort, finden sich allzu leicht mit dem Ab- schmettern ökologischer Hauptforderungen durch den Koalitionspartner ÖVP ab und erweisen sich auch in früher „grünen“ Themen wie Asylpolitik, Minderheitenschutz, Behindertenpolitik und Frauenpolitik als lame ducks. Du siehst, ich passe mich deiner amerikanischen Sprachumgebung an.

Nicht nur läßt diese Arbeitsauffassung der Grünen zu wünschen übrig, ihre politische Zurückhaltung ist gar nicht nobel, sondern stammt aus dem politischen Supermarktregal mit der Aufschrift „faul & feig“. Augenscheinlich genießen sie die Annehmlichkeiten des so viele Jahre herbeigesehnten Regierungsdaseins. Man wolle gestalten, das Land nach vorne bringen und was der hohlen Phrasen mehr sind, wiederholen grüne Politikerinnen und Politiker. Der Subtext ist indes nicht zu überhören, er lautet: wir wollen an den Futtertrögen bleiben.

So weit, so vertraut von anderen Parteien. Wer sich aber nun verwundert oder empört über die angebliche Wandlung der Grünen zeigt, dem sei ein Blick auf die klassenmäßige Herkunft der Grünen und ihr kulturelles Umfeld empfohlen. Unter ihrer Basis und den Gründungspersonen befanden sich auffallend Kinder aus dem Großbürgertum, die teils linken Splittergruppen anhingen, wenige SPÖ-Dissidenten aber auch rechte Esoteriker, was einige Kommentatoren zu der Einschätzung veranlassten, die Grünen seien die bessere ÖVP-Jugend.

Die Grünen formierten sich seit den 70er Jahren, den Jahren des Protestes gegen den Bau des AKW Zwentendorf im Westen von Wien und sieben Jahre später bei der Verhinderung des Donaukraftwerks Hainburg östlich der Stadt durch die Besetzung der Au. 1986 gelang mit einer Namensliste der Einzug ins Parlament, Jahre der Flügelkämpfe und persönlicher Querelen waren die Folge. 2017 schafften die Grünen die Fünf-Prozent-Hürde nicht und flogen aus dem Parlament. Aber schon zwei Jahre später kehrten sie mit 14 Prozent und 26 Sitzen zurück. 2016 gelang dann der größte Erfolg der grünen Partei durch die Wahl ihres langjährigen Frontmannes, des Volkswirtschaftlers van der Bellen, gegen den Kandidaten der FPÖ. Die Grünen waren an der Spitze des Staates angekommen.

Günter Kerbler, ein Grüner der ersten Stunde, besitzt über tausend Zinshäuser in Wien und anderen Städten Zentraleuropas, er ist ein Fürst der Gentrifizierung. Pius Strobl ist der Zampano im ORF und Medienkonzernen, er beharrt darauf, daß die Mitleidsorgie „Licht ins Dunkel“ nach fünfzig Jahren immer mehr totalitäre Züge auf Kosten behinderter Menschen annimmt. Christoph Chorherr, Planungsstadtrat der Wiener Grünen nahm von den Oligarchen Benko, Tojner, Soravia, Kerbler, Hemetsberger und anderen Spenden und sorgte dafür, daß im Gegenzug Bauwidmungen günstig ausfielen. Mit den Spenden finanzierte er was? Eine Schule für behinderte Kinder in Südafrika.

Die Grünen sind im bürgerlichen Lager verankert. Sie machen es ihren Eltern nach und zeigen dabei alle Tugenden der Klasse. Sie sind nicht skrupellos oder geldgierig, sie heucheln nicht soziales Mitgefühl, sie nutzen öffentliche Funktionen nicht zum eigenen Vorteil, profilieren sich nicht auf Kosten sozial benachteiligter und diskriminierter Gruppen, lassen sich nicht von Glückspielkonzernen kaufen wie Eva Glawischnig, Grünen-Vorsitzende von 2008 bis 2017, sie sind nicht hochmütig oder futterneidig, intrigieren nicht einmal in Notfällen, sammeln nicht Posten um Posten und hohe Einkommen aus politischer Tätigkeit. Sie hinterziehen keine Steuern und sind in keiner Weise korrupt. Mit einem Wort: Die führenden Grünen sind vorbildliche Bürger.

Verehrter Dozent, ich hoffe, Dir gedient zu haben. Beste Grüße von der Donau an den Hudson!

Dein Groll

Einfach nur weg

Ein Buchtipp von Bärbel Rinner

Das eigene Unglück so weit vergrößern, bis man es nicht mehr sieht, scheint das Motto von Elas Eltern zu sein. Gleichzeitig den Blick verengen, bis nur noch ein Schrecknis übrig ist. Und dieses heißt Übergewicht, Fettleibigkeit, Fresssucht. So stellt sich das Unglück für Elas Vater dar, seine Frau ist zu dick und er hat die schlechte Nachrede. Die Speckpolster auf ihren Hüften sind der Grund, warum er nicht befördert wird und für alles andere auch, das schief geht.

Die Mutter will einfach nur weg, zurück in die Stadt. Das Landleben immer unter Beobachtung stehen ist nichts für sie. Aber es sind die 1980er, die Familie ist ein stabiler Käfig, niemand kann entkommen. Tochter Ela erzählt uns die Geschichte aus der Sicht ihres zehnjährigen Ichs, und in Zwischenkapiteln gewinnt sie als Erwachsene Einsichten im Gespräch mit ihrer Mutter.

Was Daniela Dröscher meisterhaft gelingt, ist, Unbehagen zu erzeugen, uns mitzunehmen in die Isolation der Kleinfamilie. Den Ausweg zu zeigen und gleichzeitig „Halt!“ zu rufen. Keine Flucht möglich, auch wenn die Tür scheinbar offen steht. Die Kinder und Enkel der Nachkriegsgeneration können es immer noch spüren, so war es, auf die eine oder andere Weise.

Der Vater ist schwach, aber sein Wille geschieht, weil er der Mann im Haus ist. Die Mutter hat Ambitionen, sie möchte lernen, weiterkommen, aber ach, die Familie, die Kinder, die Dorfgemeinschaft. Das Kind lernt, sich zu arrangieren, mal den einen, mal den anderen Elternteil unterstützend, auch geschickt lügen ist gar nicht so einfach.

Trotz des ungemütlichen Settings liest sich der Roman sehr angenehm. Vielleicht fühlt es sich so heimelig an, weil die eigene Kindheit auch ungefähr in diese Zeit fällt. Der ständige Unterton von Alltagsrassismus klingt allzu vertraut, Elas Mutter stammt nämlich ursprünglich aus Polen. Daniela Dröschers differenzierter Schilderung ist es zu verdanken, dass die Mutter keineswegs als hilfloses Opfer ihr Schicksal erleidet, sondern trotz allem eine selbstbewusste Frau mit festen Grundsätzen ist. Gerade das macht es uns als Leser*innen so schwer, mitanzusehen, wie sie in ihrer Lage verharrt. Diese Ambivalenz erhöht aber durchaus die Spannung. Eindeutige Leseempfehlung!

Daniela Dröscher, Lügen über meine Mutter, Kiepenheuer & Witsch, 2022

Ein herber Verlust

Herr Groll auf Reisen. Von Erwin Riess.

Herr Groll saß am Marchfeldkanal und starrte in die Fluten. Ob ihm etwas fehle, fragte der Dozent und stieg von seiner italienischen Rennmaschine. Er wirke niedergeschlagen. Ob Grolls Freund Emil, der Biber, mit ihm gebrochen habe?

Groll schüttelte den Kopf. Er habe einen schweren Verlust zu beklagen, sagte er traurig.

„Nach dem Tod des weit über die Grenzen Groß-Jedlersdorfer bekannten und beliebten Heurigenwirts, Faschingsprinzen und passionierten Glücksspielers Peter Binder steht sein kleiner Heurigen, das ,Alte Haus‘, leer“, fuhr er fort. „Nun findet sich kein früher Weinbeißer sonntags zu einem Frühschoppen mit Bruckfleisch ein, kein später Weintippler taumelt gegen Mitternacht zur letzten Straßenbahn. Und kein hungriger Junggeselle spricht mehr Binders Mittagküche zu. Über Jahrzehnte hatte Peters Mutter, eine zarte, herzliche Frau, sich mit ihrer Küche erfolgreich gegen den Ausbruch schwerer Hungersnöte im nördlichen Floridsdorf gestemmt.

Peter Binder war keinen typischen Tod eines Heurigenwirts aus Transdanubien gestorben, im Weinkeller nach einem Sturz über die Kellerstiege und nicht mehr ganz nüchtern, nein, er starb in den Bergen, die er, das Kind vom Bisamberg, in dem er seinen Weingarten bearbeitete, über alles liebte. Peter Binder starb auf einer Wanderung oberhalb von Heiligenblut, den Großglockner vor Augen. Hirnschlag, sagten die Doctores, existenzielle Müdigkeit sage ich, der ich mit Peter Binder seit 1985 befreundet bin und so manches Vierterl Riesling oder Zweigelt konsumiert habe.“

„Was bedeutet die Katastrophe für den ,Ständigen Ausschuß zur Lösung sämtlicher Welträtsel‘, der beim Binder-Heurigen in Permanenz tagt?“ wollte der Dozent wissen.

In all den Jahren hatte er es nicht geschafft, in den Ausschuß aufgenommen zu werden, Antrag konnte man keinen stellen, man wurde zum Mitglied ernannt. Auf Lebenszeit. Ein allfälliger Austritt erfolgt mit dem Tod. Auf Anraten des Vorsitzenden Wenzel Schebesta, seines Zeichens Platzwart des FC Wien-Nord, hatte der Millionenerbe aus Hietzing schließlich resigniert. Groll durfte ihn aber bei minder wichtigen Themen als Gast mitbringen. Das Rederecht wurde ihm aber nicht zugestanden.

„Was aus dem Heurigen wird, steht in den Sternen“, antwortete Groll bitter. „Ich dachte immer, der Peter sei unsterblich. Er schien unverwüstlich, für jeden hatte er ein freundliches Wort. Er war weltoffen und parkettsicher, ein vorzüglicher Demokrat. Er duldete keine politische Meinung außer seiner eigenen, und die war in Ordnung. Unvergessen ist die Geschichte eines Stammgastes namens ,Hülserl‘, der die Würde des Proletariats unverdrossen hoch hielt. Als ein zu Haiders FPÖ abgefallener Sozialist sich über die legendären hundert Anzüge des aus Floridsdorf stammenden Finanzministers und Vizekanzlers Hannes Androsch erregte, konterte er mit dem brillanten Satz: ,Sollen unsere Leut’ in Sack und Asche gehen!?’

Die Ausschußtreffen sind mir ebenso in bester Erinnerung wie die vorzüglichen Backhendln und Surschnitzel, die von Köchin Roswitha von der Burg Gmünd und der rothaarigen Kellnerin Sylvia unter die Gäste gebracht wurden. Sylvias Freund arbeitete als Spitzenmechaniker und Schweißer, er wurde mit der Concorde nach New York eingeflogen, wenn ein Motorschaden das Ablegen eines Ozeanriesen in die Karibik verzögerte.“

„Wie wird es nun mit dem Heurigen weitergehen?“ fragte der Dozent kleinlaut.

„Hungern werden wir“, erwiderte Groll müde. „Nach allem, was mit Peter verbunden war.“

Emil, der Biber, schwamm, einen mächtigen Zweig im Maul, kanalaufwärts an den beiden vorbei. Zum Gruß klopfte er zweimal mit dem Schwanz aufs Wasser. Groll winkte ihm zu.

„Zumindest einer, der jetzt nicht hungern muß“, sagte der Dozent.

Auf neue Beine gestellt

Das Linke Wort beabsichtigt, über das Volksstimmefest hinauszuwachsen. Von Barbara Urbanic und Alexander Hartl.

Seit 1975 findet die Literaturlesung „Linkes Wort am Volksstimmefest“ bereits statt: An den beiden Festtagen gibt es auf der Sigi-Maron-Bühne jeweils ein zweistündiges Leseprogramm von mehreren deutschsprachigen Schriftsteller*innen, an dem in der Vergangenheit bekannte Autor*innen wie Stefanie Sargnagel, Christine Nöstlinger, Michael Scharang, Peter Turrini und die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, sowie in diesem Jahr auch Marlene Streeruwitz teilnahmen. Die Organisation der Veranstaltung übernahmen 2022 – nach einer Phase des Übergangs – Barbara Urbanic und Alexander Hartl vom langjährigen Verantwortlichen Christoph Kepplinger.

Das „Linke Wort“ gehört genauso zum Volksstimmefest wie der obligatorische Regen. Als offen zugängliche Literaturlesung unter freiem Himmel ist es nicht nur wichtiger Bestandteil des intellektuellen Programms am Fest, sondern ermöglicht auch Menschen, die es ansonsten selten in die Leseveranstaltungen der Kulturszene zieht, Kontakt zur Literatur aufzubauen. Und nicht zuletzt dürfte ebenso die große Zahl an Zuhörenden ein positiver Anreiz für die Autor*innen sein.

Mit dem Wechsel im Organisationsteam gehen auch neue Zielsetzungen einher: Zusätzlich zur traditionsreichen Veranstaltung auf der Jesuitenwiese im Wiener Prater selbst, soll auch eine „Nebensaison“ etabliert werden. Vorgesehen sind etwa drei weitere Veranstaltungen, die die Zeit zwischen den Festen mit Formaten wie Buchpräsentationen, Diskussionen oder Filmvorführungen überbrücken sollen.

Vorwiegend in Wien, aber potenziell auch in anderen Bundesländern, möchte das neue Team die Literatur stärker im Parteileben und letztlich auch – wie einst – in der Parteiidentität verankern und dadurch nicht nur zum Kulturangebot beitragen, sondern ebenso inhaltlichen Debatten über politische Ziele und Perspektiven auf die gegenwärtigen Krisen einen Raum bieten.

2023 wird die Lesung am Volksstimmefest unter dem Thema „Tragik“ stattfinden. Zudem ist bereits eine nachträgliche Veranstaltung und Lesung zum 100-jährigen Geburtstag der 2007 verstorbenen Kommunistin, Schriftstellerin und Psychoanalytikerin Erika Danneberg in den Wiener Räumlichkeiten von transform!europe in Planung

In Auschwitz ermordet

Franz Fend zu Helmut Rizys Buch über die Ungeheuerlichkeit

Essays zur KZ-Literatur, diesen bescheidenen Untertitel hat Helmut Rizy seinem monumentalen Buch über die Literatur aus und über die nationalsozialistische Vernichtungsmaschine Konzentrationslager gegeben. Diese Arbeit, deren erster Band nun vorliegt, sollte das Augenmerk auf die Reichhaltigkeit der KZ-Literatur lenken, so Rizy, was eine ebenso bescheidene wie maßlose Untertreibung ist. Allein die Liste der verwendeten Literatur umfasst elf Seiten.

Helmut Rizy leistet hier nicht mehr und nicht weniger, als einen Überblick über die Vielfalt der Motive, der Erzählhaltungen und über die Vielzahl der Autor*innen zu geben. Der Titel „Überleben – um Zeugnis abzulegen“ erscheint zunächst etwas pädagogisch.

Doch schnell zeigt sich, dass in vielen Texten ein aufklärerischer Impuls eine Rolle spielt, aber auch, wie die jüdische Polin Tamar Radzyner, die im polnischen Widerstand aktiv war und mehrere KZ überlebte, in einem Interview angemerkt hatte, die persönliche Aufarbeitung der großen Katastrophe: „Jetzt lebe ich (…) in Wien und versuche, mir den Psychiater zu ersparen, indem ich meine Ängste in Gedichten niederschreibe.“

Tamar Radzyners Gedichte, bis vor kurzem noch kaum jemandem bekannt, wurden vor wenigen Jahren von der Theodor-Kramer-Gesellschaft editiert und kürzlich von der Komponistin und Musikerin Jelena Popržan vertont und in einem beeindruckenden Programm vorgestellt.

Bei Rizy finden sich Autor*innen, welche früh nach der Befreiung schon verlegt wurden und zu größerer Breitenwirksamkeit gekommen sind, wie etwa Primo Levi, Ruth Klüger, Jorge Semprún oder Fred Wander, die meisten jedoch sind einem breiteren Lesepublikum weniger bekannt.

Rizys Verdienst ist es, Autor*innen aus den unterschiedlichsten politischen, aber auch religiösen Kontexten vorzustellen, die sonst in Vergessenheit geraten hätte können. Und das, obwohl viele Texte auf abenteuerliche Weise, etwa als Kassiber aus Konzentrationslager, an die Öffentlichkeit gelangen konnten. Oder, wie etwa im Falle von Simcha Guterman, erst Jahrzehnte später bei Umbauarbeiten in einem Haus gefunden wurden.

Was Rizy hier vorlegt, ist gewiss keine leichte Lektüre. Er hält sich im Ton sachlich, die Ungeheuerlichkeit des Geschehenen spricht aus den ausgiebig zitierten Texten.

Helmut Rizy: Überleben, um Zeugnis abzulegen. Essays zur KZ-Literatur. Wieser Verlag, Celovec 2021

Raserei am Stavrovouni Monastery

Herr Groll auf Reisen: Von Erwin Riess

Während Groll Handschuhe überstreifte und eine Kappe aufsetzte, bereitete Chris, der Taxifahrer, sein Frühstück zu. Er winkte Groll kurz zu, der den Rollstuhl auf dem abschüssigen Parkplatz vor dem Kloster in Gang setzte. Der Berg, auf dem das Kloster Stavrovouni wie ein Adlerhorst klebte, war nur wenige hundert Meter hoch, aber er stieg wie eine Felsnadel aus der sanft geschwungenen Landschaft, und der Ausblick, der sich vom Kloster auf die Bucht von Larnaca, Kap Greco und Famagusta eröffnete, war atemberaubend.

Während Chris Weißbrot brach und Halloumikäse schnitt, wandte Groll sich der Straße zu und nahm die erste Kehre in Angriff. Es war ausgemacht, dass Chris in einer Stunde folgen sollte.

Die ersten Kehren bereiteten Groll großes Vergnügen. So früh am Morgen stand die Sonne nur wenige Handbreit über dem Horizont des östlichen Meers. Um den Berg strich eine frische Brise, der Geruch von Thymian und Salbei würzte die nachtkalte Luft. In den Krüppelkiefern am Rand der Straße lärmten Tausende winzige Vögel. Sie waren von der Art, die Zyprioten gern auf den Grill legen. Groll hatte mehrmals versucht, Geschmack am Fleisch der handtellergroßen Tiere zu finden, aber er hatte immer wieder vor den spitzen Knöchelchen der Vögel kapitulieren müssen.

Nach den ersten Serpentinen wurde die Straße zusehends steiler. Groll hatte Mühe, nicht aus dem Rollstuhl zu rutschen, auch fiel es ihm immer schwerer, mit den Händen zu bremsen. Die Handschuhe wurden zuerst warm, bald darauf aber heiß, und zu seinem größten Entsetzen bemerkte Groll, dass sie sich aufzulösen begannen.

Er wusste, dass mit dem Überschreiten einer bestimmten Geschwindigkeit die Vorderräder flattern und danach blockieren würden, worauf er auf die Straße oder in die stacheligen Busche am Wegrand katapultiert werden würde. Seinen Freund Chris um Hilfe zu rufen, war aussichtslos, die Entfernung war zu groß.

Grolls Hände brannten wie Feuer. Er fuhr in Schlangenlinien, um die Handinnenflächen, die er abwechselnd an die Treibreifen des Rollstuhls presste, zumindest zeitweilig zu kühlen. Die Unwucht in den Hinterrädern führte dazu, dass der Rollstuhl nicht gleichmäßig zu bremsen war, sondern widerliche Schläge an die Hände weitergab. Groll war vollauf damit beschäftigt, den Rollstuhl auf der Straße zu halten.

Ein Hornsignal, das dreimal vom Berg zurückgeworfen wurde, wusste er nicht zu deuten, und den blutjungen Soldaten, der mit quergehaltenem Karabiner die Straße sperren wollte, fuhr er fast über den Haufen. Nur ein katzengleicher Sprung rettete den Burschen vor einer Kollision. Groll bog in eine lange, steil abschüssige Gerade ein. Plötzlich hörte er das gleichmäßige Tackern eines schweren Maschinengewehrs.

Am Ende der Geraden zogen Garben von Leuchtspurmunition über die Straße. Groll überlegte, ob er gegen die Bergwand fahren oder einen Sturz ins Gebüsch riskieren sollte. Plötzlich fühlte er, wie der Rollstuhl zurückgerissen wurde. Er suchte verzweifelt mit den Händen nach Halt, da war der Soldat auch schon neben ihm und warf sich auf Groll. Als die beiden zum Stillstand kamen, dröhnten Maschinengewehrsalven über ihren Köpfen.

Der Soldat, so erfuhr Groll später, war ein junger Grieche, der seinen Armeedienst in Zypern ableistete. Er habe ihm gleich zweimal das Leben gerettet, einmal vor den Kugeln und das andere Mal vor dem Abgrund, sagte Groll und bedankte sich bei dem Griechen mit einem Wimpel des SC Wien-Nord, den er für Notfälle aller Art im Netz des Rollstuhls mit sich führte.

In einer Manöverpause begleitete der Soldat Groll ins Tal. Das Gefälle war groß, aber mit dem Jungen an den Haltegriffen und dem abwechselnden Einsatz der Hände war bald das Schlimmste überstanden. Groll genoss den böigen Wind, er kühlte seine schweißnasse Stirn.

Am Misthaufen

In dem 1996 von Franz Innerhofer erschienen Monolog „Scheibtruhe“ zeichnet er ein tristes Bild aus dem Leben der Magd Hanni in Zeiten des Nationalsozialismus in der Gegend rundum Gusen.

Hannis Umgebung ist finster, ihre Jugend ein Martyrium. Schon ihr Vater war ein Tyrann, und es sollte nicht der letzte sein. Sie wurde von Arbeitsstelle zu Arbeitsstelle gereicht. Von einem Bauern zu einem Wirtshaus, von diesem wieder auf ein Gehöft.

Die Stimmung ist wortkarg, ein großes Schweigen liegt in der Luft. Sofern überhaupt miteinander gesprochen wird, herrscht ein rauer Befehlston. Und alle, alle wussten davon.

Vom Lager, über dessen Existenz, über das, was dort mit den Menschen geschah. Bei Feldarbeiten neben dem Lager brachte sie sich selbst in Gefahr, indem sie den KZlern Rüben zukommen lassen wollte.

Innerhofer spannt den Bogen aufs Erdrückendste. Hanni ließ sich, obwohl seitens der Bauernschaft unerwünscht, auf eine Liebschaft ein.

Der Zorn der Bäuerin war dem Pärchen gewiss: „Und einmal hat sie/wie er mich besucht hat/sein Fahrrad genommen und auf den Misthaufen geworfen“.

Hans Staudinger

Der Jakobsweg im ersten Bezirk

Herr Groll auf Reisen: Groll erklärt dem Dozenten die klassenmäßige Zusammensetzung von Röstkaffee. Von Erwin Riess

Die Wiener Innenstadt. Im Meinl- Kaffeehaus am Graben verfolgen die Gäste gebannt einen Rollstuhlfahrer im Trainingsanzug, der, vom Stephansplatz kommend, in hohem Tempo zwischen Kiosken und Passanten Slalom fährt. Ein schlaksiger Mann in einem beigen Zweireiher springt auf und eilt ins Erdgeschoß. Im Foyer des Geschäfts prallt der Mann um ein Haar mit dem Rollstuhlfahrer zusammen. Ohne zu bremsen war der am Cafe vorbei ins Lokal gedonnert, Kunden mussten zur Seite springen, um eine Kollision zu verhindern; eine alte Dame im Nerz ließ vor Schreck ihre Einkaufstasche fallen. Glas splitterte, der Geruch von billigem Weinbrand breitete sich aus.

„Anhalten, Freund Groll!“ rief der Mann im Zweireiher und stellte sich mit ausgebreiteten Armen dem Rollstuhlfahrer in den Weg. Der vollführte eine Notbremsung, sein Oberkörper wippte nach vor.

„Sie brauchen nichts zu sagen, geschätzter Freud! Ich kenne den Grund Ihrer Eile. Die Behindertentoilette im 1. Stock. Ich werde Sie führen!“ Der Dozent machte einen Schritt auf Groll zu.

Mittlerweile hatte die Dame im Nerz sich von ihrem Schock erholt, sie rief Schmähungen gegen die Sozialpolitik der Regierung, die es zulasse, dass wild gewordene Krüppel ehrbare Bürger über den Haufen fahren. Nie wieder werde sie für „Licht ins Dunkel“ spenden. Zu guterletzt forderte die aufgebrachte Frau den Ersatz ihres Getränks. Zu Bruch gehende Gebinde müssten ausgetauscht werden, das sei Gesetz. Drohend schwang sie ihre Handtasche.

Groll verbat sich die Hilfe seines Freundes, er sei nicht der Toilette wegen gekommen. Er beharrte fest darauf, nur eines einzigen Zieles wegen den Meinl am Graben aufgesucht zu haben: drei Packungen Jacobs-Monarch-Kaffee.

Der Dozent schüttelte ungläubig den Kopf. „Da fahren Sie den weiten Weg von Floridsdorf in die Innenstadt, um Kaffee zu kaufen?“ Jacobs-Monarch gebe es zwar auch in seinem Heimatbezirk zu kaufen, räumte Groll ein, allerdings handle es sich dabei um die Vorstadtvariante. In der Vorstadt stecke in den Kaffeepackungen eine Mischung aus Zichorienmehl, Feigenmus und ranzigen Pistazienschalen. Den originalen Jacobs-Monarch bekomme man nur an der Wirkungsstätte Ort des Monarchen. Schließlich sei er auch des Trainings wegen hier, ergänzte Groll.

Wenn er glaube, friedliche Passanten für seine körperliche Ertüchtigung gefährden zu müssen, sei er auf dem Holzweg, erklärte der Dozent.

„Falsch! Auf dem Jakobsweg“, sagte Groll. „Genauer gesagt: Auf dessen Zubringern.“

„Wie darf ich das verstehen?“

„Ganz einfach. Ich trainiere für den Jakobsweg. Den bedeutendsten Pilgerweg Europas, der wie seinerzeit der Ho-Chi-Minh Pfad aus einem Netz an Wegen bestehe, deren beide Hauptstränge an der Küste und in den Pyrenäen entlang führen.

„Da ich vorhabe, zwischen den Routen zu pendeln, trainiere ich rasche Richtungsänderungen.“

Wie er auf diese Verwegenheit gekommen sei, wollte der Dozent wissen.

„Zum einen: Bei der Kniewallfahrt nach Mariazell hat man mich nicht genommen, und zum anderen: Ich habe das Beispiel eines befreundeten Ehepaars vor Augen. Die beiden beschlossen anlässlich einer Ehekrise, den Jakobsweg gemeinsam zu absolvieren. Der Entschluss fiel ihnen nicht schwer, immerhin trägt der Mann den Vornamen Jakob.“

Er wolle gar nicht wissen, wie das Experiment ausgegangen sei, erwiderte der Dozent.

„Bestens“, sagte Groll. „Die beiden haben sich noch auf dem Weg getrennt. Er verliebte sich in eine litauische Fernsehjournalistin und lebt jetzt glücklich in Riga. Und sie wurde von einem Jugendseelsorger aus Debrecen in neue Dimensionen der Wollust eingeführt.“

„Strohfeuer“, sagte der Dozent. „Nach ein paar Monaten gehen die Paare wieder auseinander.“

„Irrtum“, sagte Groll. „Der Mann ist jetzt Kameramann und dreht gerade an einer 100-teiligen Dokumentation über den Jakobsweg. Sie wissen, die Litauer sind sehr katholisch. Und die Frau betreibt ein christliches Reisebüro in Esztergom und schickt jährlich Hundertschaften von ungarischen Jugendlichen nach Santiago de Compostella.“ Der Dozent lächelte fein. „Jetzt weiß ich, was Sie auf den Jakobsweg führt. Sie hoffen, in Santiago de Compostella durch ein Wunder wieder gehen zu können!“

Unsinn, erwiderte Groll. Er hoffe, den Kaffee um den dreifachen Preis loszuschlagen. Um den Erlös mache er sich dann ein paar schöne Tage in einem Hafenstädtchen an der Biskaya. Er habe sich auch schon bei ehemaligen Kämpfern der ETA gemeldet. Gegen ein paar Flaschen Brünnerstrassler hätte die Organisation ihm nicht nur Sicherheit, sondern auch eine Hafenrundfahrt garantiert.

„Da wir nun schon einmal hier sind, könnten Sie mich auf eine Schale Jakobs-Monarch einladen“, sagte Groll und sah den Dozenten einladend an.

„Mit Vergnügen“, erwiderte der.

Ruhig und gemächlich bewegten die beiden sich durchs Geschäft und steuerten das Stehcafe an. Beim Kellner bestellte Groll zwei große Espressi und einen Sitzplatz für seinen schüchternen Freund.

Blick auf die Esoterikszene

Ein Buchtipp von Bärbel Rinner

Die Wohngruppe Klang & Liebe, vier Menschen in einem Haus, Melodie, Elisabeth, Muriel und Petrus, hat sich zum Ziel gesetzt, von Licht zu leben. Alle können selbst entscheiden, ob sie essen wollen, sagt Melodie.

Ihre Schwester Elisabeth hat aufgehört zu widersprechen, überhaupt zu sprechen. Und eines Tages ist sie tot, verhungert. Ihr Tod ist der Ausgangspunkt des Romans, die Ereignisse werden aus ungewöhnlichen Perspektiven geschildert. Die ermittelnden Polizeibeamten, der Tatort, die Fakten und viele andere Personen und Begleitumstände werden zu Erzähler*innen. 

Die Methode, die Gerda Blees anwendet, um die Geschichte zu entwickeln, ist sehr ungewöhnlich. Verschiedene Perspektiven einzunehmen, ist ein bekannter Kunstgriff, bisher haben jedoch nie der Klang, das Licht oder ein elektrischer Entsafter ihre Sicht geschildert. So innovativ diese Form des Erzählens ist, so gewöhnungsbedürftig ist sie anfangs auch. Ist man aber einmal drin, hemmt sie den Erzählfluss nicht im Geringsten. 

Der Debütroman der Niederländerin Gerda Blees, geboren 1987, wurde mit zwei Literaturpreisen ausgezeichnet. Sie lehrt Kunst an verschiedenen Universitäten und lebt in Haarlem. Bisher schrieb sie hauptsächlich Lyrik.

Die Erzählform ist konsistent, der Stil flüssig und uneitel. Im Gegensatz zu vielen männlichen Autoren, die prahlerisch ihr Ego in Form von bildungsbürgerlichen Ergüssen ausbreiten, geht es der Autorin darum, eine mögliche Erklärung zu finden, wie harmlos erscheinende Esoterik lebensgefährlich ausarten kann. Die transzendente Lichtnahrungsfantasie hat handfeste Gründe. Außer Elisabeths kleiner Pension hat niemand in der Gruppe ein Einkommen. Deshalb wird sogar der lebenserhaltende Gemüsesaft von Melodie als „Energiefresser“ abgelehnt.

Was uns hier deutlich gemacht wird, ist die Verführbarkeit zu jeglichem Unsinn, wenn Menschen keinen emotionalen und geistigen Halt haben. Natürlich stellt sich die Frage, wer etwas davon hat, wenn sich Menschen zu Tode hungern. Den Anbietern von Online-Seminaren geht es um Geld, Leuten wie Melodie um die Macht. Ein Blick auf die Esoterikszene ist angesichts der Coronademos und Verschwörungsmythen höchst aktuell.

Gerda Blees, Wir sind das Licht, Zsolnay, 2022