Rassismusanalyse

Eine Rezension von Philipp Rosenberger.

Anfang Februar präsentierten Bafta Sarbo (Sozialwissenschafterin, Vorstandsmitglied der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland) und Eleonora Roldán Mendívil (Politikwissenschaftlerin, Autorin) in Linz ihr Werk „Diversität der Ausbeutung”. In diesem Sammelband stellten sich sieben Autor*innen – darunter auch die zwei Herausgeberinnen selbst – die Frage, wie Klasse und Rasse zusammenhängen und ob der herrschende Antirassismus Diskurs dieses komplexe Zusammenspiel hinreichend erklären kann.

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, betrachten die Autor*innen die historische Entwicklung der Produktionsverhältnisse, welche in Gesetze gegossen und durch Polizeigewalt exekutiert, eine Überausbeutung, also über den aktuellen Klassenkompromiss hinausgehende Ausbeutung, von bestimmten Menschen ermöglichte und auch heute noch durch strikte Migrationsgesetze und strukturelle Barrieren innerhalb der EU aufrecht erhält. Die These lautet: Erst diese Überausbeutung bedingt, dass rassistische Diskriminierung entstehen kann.

Dabei greifen sie auch auf die Theorie der sozialen Reproduktion zurück, um die Symbiose, welche sich in der Geschichte der Gastarbeiter*innen als Migration, zwischen vorherrschenden sexistischen Rollenbildern und rassistischen Stereotypen geformt hat, zu verstehen. Dieser materialistischen Analyse stellen die Autor*innen den herrschenden bürgerlichen Antirassismus-Diskurs in Form der Intersektionalität und Diversität gegenüber und erklären die historischen Umstände, unter denen diese Theorie in herrschende Strukturen integriert werden konnte und machen dafür die Reduzierung des Klassenbegriffs auf die reine Diskriminierungsebene verantwortlich.

Insgesamt ist es den Herausgeberinnen mit ihrer Arbeit gelungen, einen kohärenten, gut belegten Beitrag für den Anti-Rassismus-Diskurs zu liefern. Sehr wichtig ist dabei, dass die explizite Auseinandersetzung mit den Phänomenen im deutschsprachigen Raum, welche bis jetzt noch sehr untererforscht blieben. Ein sehr empfehlenswertes Buch, speziell für Menschen, denen die aktuelle Kritik am Rassismus zu oberflächlich erscheint.

Bafta Sarbo/Eleonora Roldán Mendívil, Die Diversität der Ausbeutung, Karl Dietz Verlag, Berlin, 2023, 16,50 Euro

Harte Bandagen

Stefanie Breinlinger über die Lage bei den aktuellen Lohnverhandlungen

Die Unternehmen warnen vor einer Lohn-Preis-Spirale, um hohe Forderungen bei den Kollektivvertragsverhandlungen abzuwehren. Dabei gibt es eigentlich eine Gewinn-Preis-Spirale: Nicht hohe Löhne sind Inflationstreiber, sondern vielmehr hohe Energiepreise und hohe Gewinne, etwa die Übergewinne im Energiesektor.

Als neue Strategie nehmen Unternehmervertretungen staatliche Einmalzahlungen wie Anti-Teuerungsbonus oder Klimabonus als Vorwand, Lohnabschlüsse niedriger ausfallen zu lassen, weil die Arbeitnehmer*innen ohnehin schon ausreichend finanziell profitiert hätten. Wie der Name sagt, helfen Einmalzahlungen genau einmal – im Gegensatz zu einer monatlichen Lohnerhöhung. Sie wirken sich nicht auf Sozialversicherung und Pensionshöhe aus. Auch nicht auf wichtige Leistungen des sozialen Netzes, die mit Lohnnebenkosten finanziert werden, wie etwa die Unfallversicherung. Reichlich absurd ist es, den Klimabonus ins Treffen zu führen, der sachlich mit den Lohnverhandlungen nichts zu tun hat, sondern dem Ausgleich der CO2-Bepreisung dienen soll.

Nach dieser Logik müssten die großzügigen Wirtschaftsförderungen aufgrund von Corona, Kurzarbeit und Quarantäne ebenfalls aufgerechnet werden. Die Einmalzahlungen stammen aus dem Budget und sind steuerfinanziert. Salopp gesprochen zahlen sich die Arbeitnehmer*innen das ohnehin selbst. Dass Einmalzahlungen keine nachvollziehbaren Argumente bei KV-Verhandlungen sind, findet selbst WIFO-Ökonom Benjamin Bittschi. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass durch künftige Sparpolitik wieder Leistungen gekürzt werden.

ÖGB für Teuerungsausgleich

Dem ÖGB und den Teilgewerkschaften sind der Reallohnverlust und damit Kaufkraftverlust der Arbeitnehmer*innen bewusst und dass es hohe Abschlüsse für einen Ausgleich braucht. Angesichts der hohen Inflation, den Produktivitätssteigerungen und hohen Gewinnen geht man daher mit hohen seit langem wieder zweistelligen Forderungen in die Verhandlungen. Die Metaller*innen forderten 10,6 Prozent – während die Arbeitgeber auf 4,1 Prozent, Einrechnung von Einmalzahlungen und einer schwindligen Gewinnbeteiligung beharrten. Nachdem sie bereits eine Streikfreigabe beim ÖGB eingeholt hatten, wurde ganz sozialpartnerschaftlich bei einer schon üblichen nächtlichen Marathon-Verhandlung deutlich unter der Forderung mit durchschnittlich 7,4 Prozent abgeschlossen und von PRO-GE und GPA als großer Erfolg gefeiert.

Die Eisenbahner*innen fordern 500 Euro mehr auf jedes Gehalt. Für die mehr als 400.000 Beschäftigten im Handel fordert die Gewerkschaft vida 10 Prozent mehr Gehalt. Betriebsrät*innen der Ordensspitäler fordern im Rahmen vorgezogener Sonder-KV-Verhandlungen 500 Euro brutto mehr bzw. 2.000 Euro brutto Mindestlohn. Eine vorsorgliche Streikfreigabe durch die Gewerkschaft vida wurde beim ÖGB eingeholt.

Die Beschäftigten im Sozialbereich erlebten 2020 einen KV-Abschluss über drei Jahre – bei einem deutlichen Reallohnverlust. Die Gewerkschaften GPA und vida fordern daher jetzt 15 Prozent, zumindest aber 350 Euro mehr Grundgehalt, Erhöhung der Zulagen und die 35- Stunden-Woche. Mit einer reinen Inflationsabgeltung will man sich nicht zufriedengeben.

Nun kommt es darauf an, dass die Gewerkschaften die Beschäftigten laufend transparent über die Verhandlungen informieren, die Mobilisierung der Beschäftigten voran- treiben, die eigenen Forderungen konsequent aufrechterhalten und ihnen Nachdruck verleihen – bis hin zum Streik.