Neofeudale Unterwürfigkeit

Leo Furtlehners Nachruf auf einen Oligarchen

Wieder einmal ist die Sonne vom Himmel gefallen und Österreich trauert. Diesmal um den Oligarchen Dietrich Mateschitz, der medial vom öffentlich-rechtlichen ORF abwärts als Wohltäter verklärt wird. Und wer sich gegen den Mainstream stellt, wird umgehend als empathielos geächtet.

Ganz austriakisch „So sind wir“ hat sich ein neuer Feudalismus breitgemacht. Die Bewunderung und Anbetung starker Männer gilt vielen wieder als zeitgemäß. Erschreckenderweise gebärden sich dabei auch solche, denen man kritisches Denken zugetraut hat, als besonders eifrig, um die Leistungen des Konzernbosses, der seine Milliarden mit einem bedenklichen Gesöff – „Wasser, Zucker und ein paar belebende Substanzen – verpackt in Coolnessversprechen“ – gemacht hat, hochzuhalten.

Es ist bekannt, dass Milliardäre ihr Vermögen niemals durch eigene Leistung scheffeln, sondern durch Erbschaft, Raub von Volkseigentum, kriminelle Machenschaften – vor allem aber durch die Aneignung des Mehrwerts der ihnen unterworfenen Arbeitskräfte. Das gilt auch für Mateschitz, mit 28 Milliarden Euro Privatvermögen der reichste Österreicher.

Geradezu rührselig porträtiert die „Kronenzeitung“ den Patriarchen: „Grenzenlose Nächstenliebe macht wirklich reich. Nicht Millionen oder Milliarden“ heißt es da und „Ganz im Stillen hilft DM. Einzige Bedingung: Keiner darf etwas davon erzählen“. Und in Fuschl am See, dem Konzernsitz von Red Bull, heiße es überhaupt „Ein Segen für uns“.

Mit welchen Machenschaften Mateschitz zu seinen Milliarden gekommen ist wurde vom Magazin „Dossier“ ausgiebig dargestellt und vieles dabei erinnert an die Mafia. In echt patriarchaler Manier wurden alle Störfaktoren brachial ausgemerzt. Als etwa die Belegschaft von Servus-TV einen Betriebsrat wählen wollte, drohte der Oligarch umgehend mit der Schließung des Senders, Belegschaft und Arbeiterkammer mussten zu Kreuze kriechen, denn längst selbstverständliche Demokratie hat es im Königsreich Mateschitz nicht zu geben.

Weil Milliardäre ihre Steuerzahlung auf das absolut nötige Minimum begrenzen und zudem nicht wissen, was sie mit ihrer Kohle machen sollen, neigen sie zu Expansionen und Abenteuern. Das gilt nicht nur für Elon Musk, sondern auch für Mateschitz. Darum wird er als großer Gönner von Ski- und Rennsport gefeiert, erwarb reihenweise Immobilien über sein Herkunftsland Steiermark hinaus.

Vor allem aber zeigte er sein autoritäres Sendungsbewusstsein mit seinem medialen Ableger Servus-TV, der sich als Leib- und Magen-Sender der Schwurblerszene profilierte. Dass der Großteil des Umsatzes des sogar vom ORF-Boss als „zweitgrößtes Medienhaus“ gewürdigten Unternehmens der Vermarktung des Dosen-Getränks diente, fiel dabei vornehm unter den Tisch.

Nun aber sorgt sich eine patriotische Meute von Politik und Medien darum, dass künftig nicht mehr Mateschitz, sondern die thailändischen Mehrheitseigentümer von Red Bull das Sagen haben und damit das Ende der Wohltäterei droht.

Mark Mateschitz als Erbe kann sich jedenfalls damit trösten, dass erben in Österreich steuerfrei ist. Wie hatte es doch der damalige SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer in der „Bildzeitung“ so schön auf den Punkt gebracht: „Tatsache ist, dass es von Mitte 2008 an in Österreich keine Erbschaftssteuer mehr gibt. Ich bitte Sie, das möglichst breit zu publizieren! (lacht)“.

Pierers Wünsche sind Chefsache

Leo Furtlehner über Kapital und Politik

„Dieses Bundesland hat mir meine Karriere möglich gemacht, dafür sage ich danke“ meinte der Industrielle Stefan Pierer nach der Wahl zum Präsidenten der 450 Mitglieder zählenden oö Industriellenvereinigung (trend, 24.5.2022).

Ist Dankbarkeit also doch eine politische Kategorie? 2017 spendete Pierer 436.000 Euro, um Sebastian Kurz zum ÖVP-Parteichef und Kanzler zu machen. Als Gegenleistung erhielt die Industrie den 12-Stundentag und Pierer 6,74 Mio. Euro „Kulturförderung“ vom Land OÖ und der Stadt Mattighofen für seine als Museum getarnte „Moto-Hall“. Wozu er jetzt großzügig erklärt „Ich habe nicht die gesamte Förderung abgerufen“.

„Welser Konkursmafia“

Der mit der Übernahme der bankrotten KTM 1991 groß gewordene Pierer gehörte einst zur „Welser Konkursmafia“, Investoren die konkursreife Unternehmen billig aufkauften, ausschlachteten und dann teuer verkauften. Heute notiert die Pierer Mobility Group (KTM, Husqvarna, GasGas) mit 5.200 Beschäftigten (davon 4.000 im Innviertel) und 2,7 Mrd. Euro Umsatz an der Börse in Zürich. Und Pierer rangiert mit 1,7 Mrd. Euro auf Platz 27 im österreichischen Reichtumsranking (trend, 26.6.2021)

Pierer bedauert, dass das „Projekt Kurz“ nicht nachhaltig war. Er ist enttäuscht, „dass sich die Hoffnungen einer positiven Veränderung der politischen Struktur nicht erfüllt haben“ und meint „Das Thema Weltrettung habe ich aufgegeben“.

Doch „er neigt zu politischem Schwarz-Weiß-Denken“, so ein ranghoher Landespolitiker. Etwa wenn er dem Kanzler vorwirft „unter Missachtung des Aktiengesetzes über Nacht zwei Milliarden Euro ausradiert“ zu haben, nur weil Nehammer im Mai vorgeschlagen hatte die Übergewinne des Verbund-Konzerns abzuschöpfen. Oder wenn er meint, dass „Brüssel von NGOs unterwandert ist“.

Ein Hardcore- Neoliberaler

Pierer gilt als Scharfmacher: Arbeiterkammer und ÖGB sind für ihn ein „rotes Tuch“. Er findet es unverständlich, wenn Lohnabhängige in Pension gehen „obwohl sie noch tatkräftig und potenziell voller Elan“ sind, wer zu früh in Pension geht wäre „wahrscheinlich verblödet“. Statt auf Lohnerhöhung setzt er auf Steuerentlastung: „Die ersten 20 Überstunden im Monat steuerfrei“ und „nur den halben Steuersatz“ für Leute bis 30 sind sein Rezept (Standard, 8.7.2022). Eine Erbschaftssteuer hält er für „eine Themenverfehlung“, Vermögen dürfe keinesfalls besteuert werden.

Prestigeprojekt Digital-Uni

Willkommen in der „industriellen Kornkammer Österreichs“ sind für Pierer hingegen billige Arbeitskräfte, etwa durch „Zuzug aus Indien“. Oder die von der IV angeschobene und von der schwarz-blau geführten Landesregierung willfährig umgesetzte Digital-Uni in Linz: Am Hochschulgesetz vorbei, finanziert aus Reserven der Universitäten, frei von Kollektivverträgen für die Beschäftigten und von Mitbestimmung durch Studierende.

Pierer will der IV bundesweit „Tempo machen“, deren Präsident Knill „könne sich jetzt warm anziehen“. Ob er dazu auch den Vorstoß seines Vorgängers Axel Greiner aufgreift „Kernkrafttechnologien auch für Österreich anzudenken“ ist offen.

Als Reibebaum gilt Pierer die grüne Ministerin Gewessler. Doch er hofft auf deren Zurichtung: „Man könnte vom Pragmatismus der grünen Kollegen in Deutschland lernen“, gilt doch in Pierers Umfeld der deutsche Vizekanzler Robert Habeck „als akzeptabelster Öko-Politiker bisher“.

Da verwundert es nicht, dass der sich in der Causa „Motohall“ ereifernde grüne Klubchef Severin Mayr zu Pierers Aufstieg nichts zu sagen hat und Grünen-Landesrat Stefan Kaineder „pflichtschuldig bei der präsidentiellen Staffelübergabe“ vorbeischauen musste.

Unabhängig von grünen Anbiederungen läuft Pierers Achse zum Land unter Schwarz-Blau wie geschmiert. Schließlich hat „Thomas Stelzer den Kontakt zur IV zur Chefsache gemacht“ und „streichelt das Ego“ von Pierer und Konsorten (OÖN, 10.6.2022).

Aktionäre im Vollrausch

Karin Antlanger zum Thema Energiepreise.

Der Markt regelt alles. So das Wirtschaftscredo von ÖVP und Konsorten. Wenn der Markt sich selbst wild entfesselt hat, die Inflation galoppiert, Arbeitskräfte rar sind, Lieferketten versagen, Wohnen und Heizen zum Luxusgut werden, dann wird plötzlich wieder der Ruf nach dem Staat laut.

Coronahilfen und Steuersenkungen werden vom Staat gefordert. Und das möglichst flächendeckend mit dem sonst bei Sozialleistungen so heftig abgelehnten Gießkannenprinzip. Je größer und finanztechnisch ausgefuchster ein Betrieb ist, umso mehr kann er aus den öffentlichen Töpfen lukrieren.

Die durch Russland angedrohte und durch diverse EU-Boykottmaßnahmen selbst auferlegte Verknappung von Gaslieferungen beschleunigt nicht nur einen Ausstieg von fossilen Brennstoffen, sondern sorgt gleichzeitig für eine grandiose Explosion sämtlicher Energiepreise – egal ob Wasserkraft oder Holzpellets.

Sogar der schwarze Landeshauptmann Stelzer musste in einem Interview eingestehen: „Dass die Unternehmen jetzt hohe Gewinne machen, ohne dass unternehmerische Ent- scheidungen dazu beigetragen hätten, ist ein Faktum.“

Stelzer will dafür eine Senkung der Mineralölsteuer (!), die erfahrungsgemäß erst wieder die Gewinne der Mineralölkonzerne steigern würde und wohl kaum an die EndverbraucherInnen weitergegeben würde. Außer Steuersenkungen, Beihilfen und Zuschüssen fällt ihnen nichts ein, egal ob sie Stelzer oder Rendi-Wagner heißen.

Oder kann sich jemand daran erinnern, dass eine Steuersenkung jemals zu einer spürbaren Verbilligung eines Produkts oder einer Dienstleistung geführt hätte?

Der Markt braucht Regeln!

Existenziell notwendige Erfordernisse und Produkte müssen für alle zugänglich und erschwinglich sein und dürfen keiner Marktlogik unterliegen, die einzig auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. Egal ob Wohnen, Ernährung, medizinische Versorgung oder Bildung – diese Bereiche müssen durch den Gesetzgeber preisgeregelt werden bzw. kostenfrei zugänglich sein.

Im Gegenzug gäbe es ausreichend Ideen für treffsichere Besteuerungen, angefangen von einer Vermögens- und Erbschaftssteuer bis zu einer Swimming-Pool-Steuer oder eine Leerstandsabgabe.

Cartoon: Karl Berger, http://www.zeichenware.at

Heiliger Profit

Angesichts multipler Krisen – Globalisierung, Finanzmarkt, Klima, Corona, Krieg – läuft der neoliberale Kapitalismus zunehmend unrund. Eine wachsende Umverteilung von Arm zu Reich erschüttert das Vertrauen in „die da oben“. Und nach dem Zerfall des „realen Sozialismus“ verstärkt sich der imperialistische Kampf um Hegemonie und Ressourcen.

Hierzulande erhöht die Teuerung (im Juli mit 9,2 Prozent der höchste Preisanstieg seit 1975) die Armutsgefahr. Die Schuldzuweisung an Russlands Krieg in der Ukraine greift aber zu kurz, verteuert sich doch auch vieles, das nichts mit Gas oder Öl, wohl aber mit Spekulation und Profit zu tun hat.

Die Explosion von Mieten und Preisen für Energie und Grundnahrungsmittel spült Milliarden in die Geldspeicher der Konzerne. Doch eine Abschöpfung der „Windfallprofite“ oder staatliche Preisregelungen wird als unzulässiger Eingriff in die „freie Marktwirtschaft“ blockiert. Bestenfalls gibt es Staatszuschüsse – die wir uns letztlich aus unseren eigenen Steuergeldern selbst bezahlen müssen. Hauptsache der heilige Profit wird nicht angetastet.

Umso mehr gilt es jetzt mit aller Kraft dafür zu wirken, dass bei den kommenden Lohn- und Pensionsverhandlungen kräftige Erhöhungen zustande gekommen. Zehn Prozent und mehr dürfen da kein Tabu sein. Die Gewerkschaften sind gefordert.

Redaktion „Café KPÖ“