Warum Integrativlehre?

„Fachkräftemangel“ schreien zwar viele Unternehmen und zeigen damit wohl eher die Unfähigkeit das eigene Personal von morgen in den Betrieben selbst auszubilden. Noch immer werden Jugendliche lieber in überbetriebliche Maßnahmen geparkt als zu fachkundigen Mitarbeiter*innen auszubilden.

Gar nicht so selten geschieht es, dass Jugendliche zum Beispiel auf Grund eines sonderpädagogischen Förderbedarfs, Lernschwäche oder soziale/ emotionale Beeinträchtigung keine Chance auf einen regulären Lehrplatz bekommen. Denn auch in der öffentlichen Verwaltung ist man noch nicht so weit, dass man die Berufsausbildung für Jugendliche mit Förderbedarf den Erfordernissen anpasst.

Dabei wären sehr wohl die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine integrative Berufsausbildung mit einer verlängerten Lehrzeit bzw. einer Absolvierung mit Teilprüfungen möglich. Dazu würde auch noch die Unterstützung ua. durch Berufsausbildungsassistenz der Caritas sowohl Jugendliche wie auch Betriebe begleiten. Es bräuchte daher eine Verpflichtung per Gesetz für Unternehmen und Gemeinden „integrative Lehrstellen“ auszuschreiben und zu besetzen.

Armin Kraml

Integration & Ausbeutung

Dario Krenn über Reaktionen auf die „Halloween-Krawalle“

Motiviert von den sensationsgeilen Schlagzeilen über die „Halloween- Krawalle“ auf der Linzer Landstraße, kramte die SPÖ eine Idee hervor, die sie bereits 2016 gefordert hatte: das sogenannte Integrationsjahr.

Laut der Linzer Vizebürgermeisterin Blöchl ist es nämlich „besonders problematisch“, wenn Asylwerber*innen „zu keiner verpflichtenden Berufstätigkeit herangezogen werden können“. Hier ist also keinesfalls von einem allgemeinen, „freiwilligen“ (so freiwillig halt, wie man im Kapitalismus Lohnarbeit nun einmal verrichtet) Zugang zum Arbeitsmarkt die Rede, sondern von einem Zwangsdienst.

Die Motivation hinter der Forderung – der FPÖ durch das Übernehmen von rechten Positionen Stimmen abgraben zu wollen – ist schon verwerflich und disqualifizierend, um noch von einer progressiven Partei sprechen zu können; die Begründung toppt dies aber noch. Denn sie geht nicht nur davon aus, dass eine Gesellschaft ausschließlich auf Lohnarbeit basiert, sondern auch, dass es notwendig ist, Lohnarbeiter*in zu sein, um als Teil der Gesellschaft überhaupt in Frage zu kommen.

Wobei es fraglich ist, ob man überhaupt von Lohnarbeit beim „Integrationsjahr“ sprechen kann. Denn wie würde dieses in der Realität aussehen? Asylwerber*innen würden unter der Androhung von Sanktionen in Betrieben maximal für ein Taschengeld arbeiten. Gewerkschaftlich unorganisiert, wohl oft der deutschen Sprache noch nicht ausreichend fähig und weitgehend ohne Rechte (geschweige denn über die Ressourcen verfügend, die es bräuchte, um diese wenigen Rechte durchzusetzen), würden sie ein Jahr lang als De-facto-Sklaven dem Kapital dienen. Wie Integration gelingen soll, wenn man Menschen noch mehr zu Personen zweiter Klasse degradiert, als sie ohnehin schon von den Herrschend betrachtet werden, bleibt das Geheimnis der SPÖ.

Die Forderung nach einem verpflichtenden „Integrationsjahr“ spricht Bände über die sozialdemokratische Führung. Wer kapitalistische Ausbeutung als unbedingte Notwendigkeit sieht, damit eine Gesellschaft „funktioniert“ und dies notfalls auch durch sklavenähnliche Zwangsarbeit durchsetzen möchte, hat das Spektrum linker Politik in Idee und Tat längst verlassen.

Brutales Tagesgeschäft

Sven Janson über die österreichische Asylpolitik

Es gibt wohl kein Gesetz in Österreich, das so häufig geändert wird wie das Asylgesetz. Fast immer geht es dabei um Verschärfungen und in der Folge um Schlechterstellung für AsylwerberInnen. Diese wollen eigentlich nur ihr Menschenrecht auf Asyl in Österreich wahrnehmen.

Bisher war es ziemlich egal welche Farbkombination an der Regierung war, besser wurde es nie. Die einen haben es halt nur ein bisschen schärfer angegangen als die anderen. Dass das Recht in einer kalten Winternacht in Wien auf den Rücken von Kindern vollzogen wurde, die das Land Georgien wohl fast nur noch aus Erzählungen kennen spielt keine Rolle. Schließlich wurde das Recht Menschen in ihnen fremde Länder abzuschieben unter der letzten Regierung eingeführt und ist jetzt und offensichtlich bis in alle Ewigkeit gültig.

Da hilft auch keine Kindeswohlkommission. Zweifelsohne hat das Recht nicht der Politik zu folgen, aber es ist die Politik die das Recht gestalten kann und das wissen nicht nur jene, die damals diese moralische Verwerfung ins Asylrecht geschrieben haben, sondern auch jene, die diese nun auch wieder korrigieren können. Offensichtlich fehlt dazu der Mut oder ein Schritt zurück von den Soja-Fleischtöpfen.

Zweifelsohne ist es nicht leicht mit dem Schließer der Balkanroute zu verhandeln, dem die Menschen an den Grenzen Europas genauso wenig interessieren wie jene ohne Wahlrecht in Österreich. Wer aber in Bezug auf das Asylrecht grün als die Farbe der Hoffnung sah, wird sicherlich enttäuscht sein. Wer sie schon länger beobachtet, konnte Derartiges erahnen.

Spannend, dass nun die Grünen als moralisch defizitär von vielen linken zersprengten Truppenteilen zerfleischt werden. Obwohl bei Türkis, im Übrigen eine Mischung aus Blau, Grün und Schwarz, ist dieses Defizit, bis auf ein bisschen Abbitte im Parlament, hinlänglich bekannt, insofern ist das Zerfleischen der letzten Hoffnung zu verstehen.

Bleibt also nur noch der Glaube an die Opposition. Wo ist die eigentlich? Ach, die schaut scheinbar genauso nur auf die Menschen in Österreich mit Wahlrecht. Vor allem auf jene im Burgenland, immerhin die Wahlerfolge sprechen dafür. Moralische Aspekte oder gar politische Werte spielen da eine untergeordnete Rolle.

Rassismus wie noch nie

Caroline Kerschbaumer, ZARA-Geschäftsführerin, über eine bedenkliche Entwicklung.

Im Juni 2020 gingen rund 500 Meldungen von rassistischen Vorfällen in den Beratungsstellen von ZARA (Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit) ein. Damit wird erstmals ein bisschen mehr von der Spitze des Eisbergs sichtbar: Durch das gesteigerte öffentliche Bewusstsein und die mediale Aufmerksamkeit für das Phänomen Rassismus werden aktuell mehr Vorfälle gemeldet als sonst.

Durch ein Crowdfunding auf respekt.net möchte ZARA sein Beratungsteam stärken, damit die steigende Zahl an Meldungen von Rassismus weiterhin in gewohnter Qualität bearbeitet werden kann. Kapazitätenmangel ist für die AkteurInnen des zivilgesellschaftlichen Bereichs nichts Neues. Die aktuellen Ereignisse haben aber zu einem enormen Anstieg der Meldungen geführt: Dadurch können zwar mehr Menschen, die von Rassismus betroffen sind, unterstützt werden, aber gleichzeitig kommt es zu längeren Reaktionszeiten.

ZARA berät, unterstützt und begleitet Betroffene und ZeugInnen von rassistischen Übergriffen seit 20 Jahren kostenlos und auf Wunsch anonym. Die Beratungsstelle für Betroffene und ZeugInnen von Rassismus wird seit vielen Jahren von der Stadt Wien gefördert, erhält aber keine finanzielle Unterstützung vom Bund.

Das Problem muss aber bei der Wurzel gepackt werden: Es handelt sich hier nicht nur um einzelne Fälle. Wir wachsen alle in einem rassistischen System auf, von dem weiße Menschen profitieren, weil konstruierte Gruppen aufgrund von Hautfarbe, Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität oder Sprache diskriminiert werden. Die Dringlichkeit eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus ist damit klar.

Aber nicht nur die Politik müsse Verantwortung übernehmen, auch in anderen Bereichen stehen schon lange dringende Veränderungen an: In Unternehmen, wo oft schon im Bewerbungsprozess Rassismen greifen. Im Bildungssystem, wo nicht nur im Geschichtsunterricht oft mit rassistischen Bildern gearbeitet wird. Im Marketing, wenn durch Logos und Markennamen rassistische Vorurteile reproduziert werden. Um das System Rassismus erfolgreich zu bekämpfen, müssen alle gemeinsam aktiv werden.