Sam und Lois

AKW2019

Es war August 1934, und obwohl Deutschland dem Nationalsozialismus und Österreich dem austrofaschistischen Ständestaat unterworfen waren, machten sich tausende Jugendliche quer durch Europa auf den Weg zum dritten internationalen, sozialistischen Jugendtreffen nach Lüttich.

Die Villacher Alois Buttinger und Anselm Inzinger kehrten wohlweislich, obwohl in Kärnten keine Februarkämpfe stattfanden, schon Monate zuvor ihrer Heimatstadt den Rücken. Zuerst flüchteten sie in die Schweiz, von wo aus sie mit Fahrrädern zu den Sozialisten ins tschechische Brünn fuhren. Ihre Reise führte sie unter großen Entbehrungen westwärts durch Nazideutschland bis nach Maastricht, wo sie getarnt als Teilnehmer der Tour de France illegal die Einreise nach Belgien und nach Lüttich schafften.

Nach über 1800 Kilometer auf dem Fahrrad gab es für die beiden keine Option zur Rückreise. Ein Foto aus dieser Zeit dokumentiert Inzinger mit entschlossenem Blick auf einer staubigen Piste, sein vollgepacktes Fahrrad fest im Griff. Es trieb sie weiter bis nach England, von wo aus sie in den 1940ern in die USA emigrierten.

Hans Staudinger

Vom Draber zum Gruber und retour!

Franz Draber war in den Steyrerwerken mit anderen aktiv in der Werks-Sportbewegung und organisierte in Steyr die Widerstandsgruppe gegen die Nazis. Im September 1942 wurden er und seine Weggefährten von der Gestapo verhaftet und schwerster Folter unterzogen.

Anfang 1943 überstellte man alle nach München ins Gefangenenhaus Stadelheim. Nachdem ihnen im Mai 1944 im Münchner Justizpalast ihre Todesurteile verlesen wurden, planten sie die Flucht, welche Draber und seinem Freund Bloderer am 30. November 1944 auch gelang. Nach acht Tagen und 200 Kilometern hauptsächlich zu Fuß erreichte Franz Draber die Furthmühle in Bad Hall.

Der Müller, ein entfernter Verwandter, päppelte ihn wieder auf und versteckte ihn dort über vier Monate hinter einem Bretterverschlag. Zu Ostern 1945 fuhr Franz, ausgestattet mit falschen Papieren eines Franz Gruber, mit dem Fahrrad 50 Kilometer bis Hinterstoder, wo er die restlichen Tage bis zum Kriegsende als Schafhirt getarnt verbrachte und nach der Befreiung wieder als Franz Draber zum Aufbau Österreichs beitrug.

Hans Staudinger

Ist alles halb so schlimm?

Walter Baier über neofaschistische Tendenzen in Europa und darüber hinaus

Es ist ein Mythos, dass Hitler 1933 die Macht ergriffen habe. Tatsächlich wurde sie ihm frei Haus übergeben. Immerhin verfügten nach den letzten freien Wahlen der Weimarer Republik die beiden Arbeiterparteien SPD und KPD über mehr Mandate als die Nazi-Partei und hätten gemeinsam mit der katholischen Zentrumspartei eine parlamentarische Mehrheit bilden können. Stattdessen aber ernannte der militaristische Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler und ließ den Reichstag auflösen. Der Aufstieg des Diktators war also „aufhaltbar“ (Brecht), hätten Weitsicht und politische Intelligenz der antifaschistischen beziehungsweise nicht-faschistischen Parteien ausgereicht.

Weswegen ist diese Geschichte von aktuellem Wert? Deshalb, weil wir neuerlich von Frankreich über Schweden bis Italien erleben, wie eine Welle die neofaschistischen Parteien nach oben trägt. Dabei sind aber nicht übermächtige, unbekannte Kräfte am Werk, wie die unkritische Berichterstattung der Medien nahelegt. Im Gegenteil. Typischerweise geht der Beteiligung der radikalen Rechten an Regierungen ihre Verharmlosung durch das Establishment voraus. In Italien war es die konservative Forza Italia, die die Nachfolgepartei der neofaschistischen MSI an die Macht hievte, wobei am Schluss sogar der „Standard“ wohlwollend anmerkte, dass davon weder NATO-Kurs noch Sparpolitik der EU beeinträchtigt würden. Entwarnung! Alles halb so schlimm!

Trostlose Wirtschaftslage

Das Anwachsen nationalistischer, radikal rechter Bewegungen ist zudem kein europäisches, sondern ein weltweites Phänomen: Bolsonaro, Trump, Erdogan, Putin, um die auffälligsten Exemplare der Spezies zu nennen. Religiöse Fundamentalismen gehören in dieselbe Kategorie. Das Phänomen lässt sich nicht allein aus der Politik erklären, womit es auch außerhalb des Fokus der Medien liegt. Der ungarisch-österreichische Sozialhistoriker Karl Polanyi hatte 1944 geschrieben, dass der Aufstieg des Faschismus sich im Rhythmus der Auf und Ab der kapitalistischen Krise abgespielt hatte.

So auch heute. Die trostlose wirtschaftliche Lage und die Angst vor sozialem Abstieg von bislang relativ komfortabel auskommenden Mittelschichten zerstören zunehmend die Glaubwürdigkeit des politischen Systems und seiner Repräsentant*innen. Zugespitzt wird die Lage durch die ökologischen Krise und die gefährliche Erhöhung der internationalen Spannungen, sodass sich das Ge- fühl verbreitet, in einem Drama mit ungewissem Ausgang zu leben.

So müssen wir also erst recht von Politik und Kultur reden. Vom Loch nämlich, das der abgewirtschaftete Neoliberalismus in den Hirnen und Herzen hinterlässt, das – wird es nicht durch rationale Denkweisen und eine solidarische Kultur gefüllt – die Gespenster aus der finstersten Zeit wieder aufleben lässt. Diese geistige Leere ist wahrscheinlich die schlimmste Hinterlassenschaft des Neoliberalismus.

Das Beispiel Frankreichs zeigt aber, dass es nicht zwangsweise so sein muss. Wo kämpferische Gewerkschaften, eine breite Umweltbewegung und eine politische Linke, die sich trotz aller Schwierigkeiten zusammenrauft, bestehen, erwachsen dem Neofaschismus mächtige Gegner*innen. Nicht dass ihr Sieg garantiert wäre, aber ohne sie ist die Niederlage gewiss.

Rechtsextreme Führungstruppe

Hans-Henning Scharsach über deutschnationale Burschenschafter als Kader der FPÖ

Auf einem Foto vom Linzer Burschenbund-Ball sind von 21 erkennbaren Burschenschaftern der Arminia Czernowitz 16 als Funktionäre der FPÖ identifizierbar: Die Burschenschaften waren Wegbereiter der NS-Rassen- und Vernichtungspolitik. Sie organisierten Hitlers Marsch auf die Feldherrnhalle, zettelten den Juliputsch in Wien an und taten sich als Organisatoren der Massenmorde in Vernichtungslagern hervor.

Österreich hat sich verpflichtet, alle Spuren des Nationalsozialismus zu tilgen. Der Arier-Paragraf der Burschenschaften ist ein Teil davon, war Ausgangspunkt für den organisierten Massenmord. Als gemäßigte Kräfte forderten, den Arierparagraphen zu streichen, meinte die Arminia Czernowitz, mit diesem „Verrat“ würden sich die Burschenschaften „ihrem inneren Wesen nach selbst aufgeben“. Burschenschaften fordern den Anschluss an Deutschland, obwohl die Verfassung das verbietet. Der Burschenschafter und Ex-FPÖ-Mandatar Werner Neubauer meinte bei einer Demo in Deutschland: „Liebe deutsche Landsleute, ich darf das sagen, weil ich Deutscher bin.“

Wissenschaftliche Definitionen weisen die Burschenschaften als rechtsextreme Organisationen aus. Man darf Haimbuchner und Steinkellner demnach als Antisemiten, Rechtsextremisten und Verfassungsfeinde bezeichnen. Haimbuchner war Obmann des Witiko-Bundes, dessen Mitgliederverzeichnis ein Who-is-Who der Neonazi-Szene ist. In seinen Publikationen finden sich Textstellen wie „Zu den gewaltigsten Geschichtslügen der jüngsten Vergangenheit zählen die sechs Millionen ermordeten Juden“.

Nach Kriegsende schlossen die Burschenschafter keinen einzigen ihrer prominenten Nazis aus. In der Mitgliederliste der Alemannia Wien zu Linz, der Haimbuchner und Steinkellner angehören, scheint bis heute SA-Sturmführer Horst Wessel, Verfasser der Parteihymne der NSDAP, auf. Bei Totengedenken werden die „besonderen Verdienste“ von Ernst Kaltenbrunner, zentrale Figur in Hitlers Terror- und Tötungsmaschinerie, gewürdigt.

Wegbereiter der Vernichtung

Unter Haimbuchner waren Mitglieder der FPÖ-Jugend gleichzeitig Mitglied im neonazistischen Bund Freier Jugend. Laut Verfassungsrechtler Heinz Mayer wurden dort „NS-Verbrechen zynisch geleugnet“ und „NS-Ideen verherrlicht“, in „hetzerischer Sprache Rassenhass geschürt“ und damit „massiv gegen das Verbotsgesetz verstoßen“. Die Arminia Czernowitz lädt zu „Bildungsveranstaltungen“ neonazistische Brandredner ein, um die Jugend zu indoktrinieren. Im Internet- Auftritt der FPÖ-Jugend wer- den die Ergebnisse sichtbar, etwa Nazi-Symbole, Nazi-Sprüche, Werbung für Neonazi-Foren und Neonazi-Bands.

Zweimal konnte der Kongress der „Verteidiger Europas“ in Oberösterreich stattfinden. Burschenschafter, Identitäre, Neonazis, Herausgeber rechtsextremer Medien und prominente FPÖ-Politiker durften den Verschwörungstheorien rechtsextremer Einpeitscher applaudieren. Die Burschenschaften als intellektueller Oberbau des Rechtsextremismus stehen an vorderster Front der braunen Geschichtsfälscher. Auf einer Website des von Burschenschaftern geführten „Freiheitlichen Akademikerverbandes“ wird die Demokratie als „Fehlgeburt der Geschichte“ und „Hure des Westens“ bezeichnet.

Landeshauptmann Stelzer sagt, für Extremismus gebe es „null Toleranz“. Aber er koaliert mit einer Partei, deren führende Exponenten man als Rechtsextremisten, Antisemiten, Rassisten und Verfassungsfeinde bezeichnen darf.

Aus einem Vortrag von Hans-Henning Scharsach beim Netzwerktreffen am 8. Oktober 2022 in Wels

Vicenza 1943

Nach dem Waffenstillstand im September 1943 in Italien zogen sich die Italiener, welche zuvor noch für den Faschismus Mussolinis im Einsatz waren, in ihre Dörfer zurück. Unter ihnen waren auch junge Studenten, die zuhause erkennen mussten, dass zwar sie die Waffen abgaben, die deutschen Nazis aber nach wie vor mordend durchs Land zogen.

Unter anderem auch mit dieser Erkenntnis formierten sich Gruppen des Widerstands. In Vicenza und in den umliegenden Ortschaften mobilisierten ein gewisser Luigi Meneghello, ein Schriftsteller, und seine Freunde auf Fahrrädern weitere Weggefährten. Bei ihrer Mobilmachung waren sie bereits heftigen Bombardements der Deutschen ausgesetzt.

Nach einer heftigen Attacke, welche mächtige Bombenkrater hinterließ und die Menschen durch die Gegend wirbelte, wollte Luigi einem Mädchen helfen. Er stellte sein Fahrrad an einem Gartentor ab, eilte zu ihr, musste aber feststellen, dass es zu spät war.

In der Zwischenzeit wurde ihm sein Fahrrad gestohlen. Luigi notierte später: „Der italienische Charakter ließ sich auch durch Bombenangriffe nicht unterkriegen.“

Hans Staudinger

In Auschwitz ermordet

Franz Fend zu Helmut Rizys Buch über die Ungeheuerlichkeit

Essays zur KZ-Literatur, diesen bescheidenen Untertitel hat Helmut Rizy seinem monumentalen Buch über die Literatur aus und über die nationalsozialistische Vernichtungsmaschine Konzentrationslager gegeben. Diese Arbeit, deren erster Band nun vorliegt, sollte das Augenmerk auf die Reichhaltigkeit der KZ-Literatur lenken, so Rizy, was eine ebenso bescheidene wie maßlose Untertreibung ist. Allein die Liste der verwendeten Literatur umfasst elf Seiten.

Helmut Rizy leistet hier nicht mehr und nicht weniger, als einen Überblick über die Vielfalt der Motive, der Erzählhaltungen und über die Vielzahl der Autor*innen zu geben. Der Titel „Überleben – um Zeugnis abzulegen“ erscheint zunächst etwas pädagogisch.

Doch schnell zeigt sich, dass in vielen Texten ein aufklärerischer Impuls eine Rolle spielt, aber auch, wie die jüdische Polin Tamar Radzyner, die im polnischen Widerstand aktiv war und mehrere KZ überlebte, in einem Interview angemerkt hatte, die persönliche Aufarbeitung der großen Katastrophe: „Jetzt lebe ich (…) in Wien und versuche, mir den Psychiater zu ersparen, indem ich meine Ängste in Gedichten niederschreibe.“

Tamar Radzyners Gedichte, bis vor kurzem noch kaum jemandem bekannt, wurden vor wenigen Jahren von der Theodor-Kramer-Gesellschaft editiert und kürzlich von der Komponistin und Musikerin Jelena Popržan vertont und in einem beeindruckenden Programm vorgestellt.

Bei Rizy finden sich Autor*innen, welche früh nach der Befreiung schon verlegt wurden und zu größerer Breitenwirksamkeit gekommen sind, wie etwa Primo Levi, Ruth Klüger, Jorge Semprún oder Fred Wander, die meisten jedoch sind einem breiteren Lesepublikum weniger bekannt.

Rizys Verdienst ist es, Autor*innen aus den unterschiedlichsten politischen, aber auch religiösen Kontexten vorzustellen, die sonst in Vergessenheit geraten hätte können. Und das, obwohl viele Texte auf abenteuerliche Weise, etwa als Kassiber aus Konzentrationslager, an die Öffentlichkeit gelangen konnten. Oder, wie etwa im Falle von Simcha Guterman, erst Jahrzehnte später bei Umbauarbeiten in einem Haus gefunden wurden.

Was Rizy hier vorlegt, ist gewiss keine leichte Lektüre. Er hält sich im Ton sachlich, die Ungeheuerlichkeit des Geschehenen spricht aus den ausgiebig zitierten Texten.

Helmut Rizy: Überleben, um Zeugnis abzulegen. Essays zur KZ-Literatur. Wieser Verlag, Celovec 2021

Widerstand und Zivilcourage

Gerlinde Grünn über einen Beitrag zur Zeitgeschichte

Das Buch „Widerstand und Zivilcourage“ der Autorinnen Gugglberger, Frei und Wachter und das Denkmal „Fünf vor 12. Unerhörter Widerstand“ der Künstlerinnen Kern und Rodriguez, bilden den wissenschaftlichen und künstlerischen Rahmen der Würdigung des vielfältigen, weiblichen Widerstands in Oberösterreich.

Damit widmet das Land nach immerhin 77 Jahren erstmals dem weiblichen Widerstand in der NS- Zeit Aufmerksamkeit.

Dem Buch gelingt durch seine ansprechende Gestaltung ein rasches Hineingleiten ins Thema. Fotos und Briefe der darin porträtierten widerständigen Frauen berühren und überwinden die lange zeitliche Distanz zum Geschehen. Lange hat es gedauert bis auch der von Frauen geleistete Widerstand als solcher anerkannt wurde.

Bis in die 1960er Jahre galt ein recht enger Widerstandsbegriff, der nur organisierten oder militärischen Widerstand als solchen gelten lies und damit alle anderen Formen ignorierte. Die Betroffenen selbst schwiegen mangels Aufmerksamkeit aber auch aus Scham im reaktionären Klima der Nachkriegszeit.

Erst in der 1970er und 1980er Jahren weitete sich der Blick. Alternative Forschungsmethoden wie etwa Oral History führten Forschende auf die Spuren von widerständigen Frauen. Das Buch „Der Himmel ist blau“ oder der Dokumentarfilm „Küchengespräche mit Rebellinnen“ verlieh Widerständlerinnen erstmals eine Stimme und ein Gesicht. Auch die akribische Dokumentationsarbeit des Arbeiterhistorikers Peter Kammerstätter brachte die Taten von Frauen ans Licht.

Auch die zahlreichen Broschüren der KPÖ OÖ zum Widerstand leisteten einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarkeit von Frauen. Der Historikerin Martina Gugglberger gelang schließlich die Etablierung des Themas im universitären Diskurs und die Schwerpunktsetzung auf den Alltagsdissens, auf Zuwiderhandeln, Wider- sprechen und Hinterfragen.

Das Buch kann allen empfohlen werden, die an einer kompakten Aufarbeitung des weiblichen Widerstands in Oberösterreich Interesse haben, die in die Lebensgeschichten von widerständigen Frauen eintauchen möchten und die sich von der Zivilcourage, dem Unrechtsbewusstsein und dem Wagemut dieser Frauen inspirieren lassen wollen.

Lagerklempner!

Die Genossin Charlotte Müller arbeitete seit Beginn der nationalsozialistischen Diktatur im Widerstand. 1934 musste sie Deutschland verlassen. Sechs Jahre später wurde sie von den Nazis in Brüssel festgenommen und im April 1942 ins Konzentrationslager Ravensbrück gebracht.

Ihr gelang es, da sie in jungen Jahren bei Ihrem Vater das Installationshandwerk erlernte, dass sie die Nazis als Lagerklempnerin einsetzten. Sie nutzte ihre Funktion, Frauen und Kindern das mörderische Lagerleben so gut es ging zu erleichtern. Am Ende musste aber auch sie auf einen der Todesmärsche Richtung Nordwest. Hunderte Ausgemergelte schleppten sich unter dem Tempo fordernden Schreien der Nazis dahin.

Am Rande ihres Trecks fiel ihr eine Aufseherin auf, die ihr Fahrrad widerwillig vor sich hinschob. Charlotte bat um das Fahrrad und klapperte den gesamten Zug ab. Sie erkannte, dass die Hinteren nicht mit den Vorderen mithalten konnten. Indem sie wieder ganz nach vorne fuhr und dort die Lagergenossinnen aufforderte das Tempo vorsichtig zu drosseln, entgingen viele am Ende des Todesmarsch-Trecks der Erschießungswut der Nazis.

Hans Staudinger

Gebaut für alle

Die aktuelle Ausstellung im Stadtmuseum Nordico gewährt einen sehenswerten Blick auf die Linzer Baukultur in den Jahren 1909 bis 1938. Stadtbaudirektor Curt Kühne und sein Mitarbeiter Julius Schulte, die sich beide einer sozial orientierten Stadt verpflichtet sahen, veranlassten zahlreiche öffentliche Gebäude von hoher gestalterischer Qualität, die noch heute das Stadtbild prägen.

Das Parkbad, die Diesterwegschule und die Volksküche haben bis heute überdauert, anderes wie etwa die Arbeitersiedlung Sintstraße verschwindet heute unter dem Druck einer investorengetriebenen Stadtplanung. Linz war nach dem 1.Weltkrieg sozialdemokratisch regiert ohne jedoch in der komfortablen Situation des roten Wiens, zu sein.

Es blieb eine sozialdemokratische Insel in einem bäuerlich-konservativen Bundesland mit dementsprechenden Abhängigkeiten. Wohnungsnot, Versorgungskrise und Massenelend inkludiert. Dennoch gelang es Kühne den sozialen Wohnbau zu forcieren und etwa mit der Wohnanlage Wimhölzelstraße wegweisendes zwischen Moderne und Pragmatismus zu bauen.

Wer sein Wissen über die Stadtgeschichte vertiefen will, ist diese Ausstellung ans Herz gelegt.

Gerlinde Grünn

Foto: stadtgeschichte.linz.at

Scheiß-Krieg

Alexander Scrwarzl

Der Bad Ausseer Lastenträger und Zimmerer Conrad Johann vulgo Lischka war von der Nazi-Wehrmacht eingezogen an verschiedene Fronten geschickt worden. Sein letzter Einsatz endete damit, dass er fünfviertel Jahre vor Kriegsende in einem Lazarett in Wien verbringen musste.

Im April 1945, die Lazarette waren überfüllt und der heranrückende Druck der Roten Armee schon zu spüren, entschieden sich Lischka und ein Weggefährte für die Heimreise auf Fahrrädern, welche sie von Wiener Verwandten zur Verfügung gestellt bekamen. Ihre Reise tarnten sie als Lazarettverlegung. Die dazu nötigen Papiere bekamen sie von Krankenschwestern.

Ihre Tour führte sie über Tulln, Langenlois, Maria Taferl bis nach Mauthausen. Dort und in Enns wurde es bei diversen Kontrollen brenzlig. Der Plan aber, zu zweit eine Lazarettverlegung vorzugaukeln, ging auf. In Lambach trennten sich die beiden und Lischka fuhr allein weiter.

Noch bevor er sein Ziel Aussee erreichte, begegneten ihm nach 350 Kilometern in Bad Goisern zwei junge Frauen, die ihm im heimischen Dialekt berichteten, dass dieser Scheiß-Krieg bald ein Ende hätte.

Hans Staudinger