Arisierte Küche

Der Beginn meiner Kochlust war zach. Was ich allerdings schon als Kind gerne machte, war in Kochbüchern schmökern. Für die Mama war jeder Anflug von Verfressenheit eine Schwäche, auch heute knabbert sie höchstens an einem Keks wenn mir der Magen in den Knien hängt und ich nach Mittagessen flehe. Das Kochen war ihr ein Alptraum, oiso nix glernt in dieser Hinsicht. Drum war und bin ich auch so narrisch nach Kochbüchern.

Richtig vergraben kann ich mich in Lektüre der klassischen Österreichischen Küche. Kochbuch an Kochbuch reiht sich in meinen Regalen und immer wieder nehme ich zur Hand: Die Gute Küche von Plachutta/Wagner, Vom Essen auf dem Lande und Das große Sacher Kochbuch von Franz Maier-Bruck Kofranek, Rosa Karlinger, Mater Johanna Rindler, Adolf und Olga Hess, Rokitansky, Prato und Ziegenbein/Eckel werden auch regelmäßig durchforstet

Da gibt es noch eine Frau die mich fasziniert: Alice Urbach. Das Buch „So kocht man in Wien!“ stammt ursprünglich von ihr, 1938 wurde sie vom ReinhardT Verlag gezwungen ihre Rechte abzutreten, das Buch wurde arisiert. Wer mehr darüber wissen möchte dem sei das Buch „Das Buch Alice: Wie die Nazis das Kochbuch meiner Großmutter raubten“ von Karina Urbach empfohlen.

Berta Blumenkohl

König beim Zwiebelschneiden

Mein Opa wäre heuer 102 geworden, bereits Ende der 1950er ein Vorbild in Sachen Familienarbeit und Arbeitsteilung ist längst mal ein Blick fällig auf seine Koch- und Essgewohnheiten. Niemand zauberte so köstliche Salatmarinaden wie er. Berge von Zwiebeln fein zu schneiden oder Kraut zu schnippeln – da war er der King.

Haglich war er nicht, das Einzige, was niemals fehlen durfte war Zucker. Angetan hatten es ihm Kassler mit Sauerkraut und vor allem Süßes, aufgewärmter Hering in Tomatensauce, Monte-Rosa- und Kardinalschnitten vom Urbann. Eine Vorliebe hatte er auch für Brennesseltee, selbstgesammelt bei passendem Mondstand, hilfreich gegen sämtliche Unpässlichkeiten.

Selten ohne ein Kind am Arm, zuerst den eigenen, dann den Enkelkindern. Nebenbei brachte er mir das Einmaleins bei und erzählte mir selbstausgedachte Geschichten von der Fledermaus, Schulbücher einbinden war sein Metier. Sein Appetit war groß, der Mann war schließlich gut über 1,90. Erholungspausen waren selten, nachdem die Horde abgefüttert war, setzte er sich an den runden Küchentisch, schaufelte 4 Teelöffel Zucker in seinen Kaffee und widmete sich dem Gedichte schreiben.

Berta Blumenkohl

Kulinarisches Antidepressivum

Wenn die Tage kürzer, und die Nächte länger werden; wenn sich allerlei sonderbare Wesen mit Krummstab und Mitra nächtens in Begleitung von Kerlen in Teufelskostümen herumtreiben; wenn sich Kids zu Halloween ein Match mit der Polizei liefern, dann kommt die große Zeit der Suppen. Suppen kochen hat, wie kochen überhaupt, damit zu tun, die Welt verdaubar zu machen, nachdem das, was uns zugemutet wird, ohnehin kaum verdaulich ist. Insofern haben Suppen was Tröstliches. Wobei dieser Trost keineswegs die Versöhnung mit den gesellschaftlichen Umständen meint. Vielmehr, Suppe kräftigt und macht resistent und resilient gegen die widrigen Umstände.

Man weiche alte, geschnittene Semmeln in warmer Milch ein, vermische diese mit gerösteten Zwiebeln, Eiern, etwas Mehl, fein gehackter Petersilie, Salz und fein gewürfeltem, deftigem Bergkäse, forme kleine Laibchen und brate diese in heißem Öl he- raus. Man serviere die Kaspressknödel in heißer Rindssuppe. (Am besten selbst gemacht aus Suppenfleisch, Markknochen, Suppengemüse, Zwiebeln, Liebstöckl, Lorbeerblättern, Wacholderbeeren, Pfefferkörnern.)

In Medizinerkreisen wird diskutiert, dass Kaspressknödelsuppe durchaus Antidepressiva, ja in manchen Fällen sogar Neuroleptika ersetzen kann.

Ronald Rupoldinger

Die Kantine

Leidenschaft hege ich für Orte, an denen es den Anschein hat, dass die Zeit stehen geblieben ist. Ein großartiger Platz liegt im Industriegebiet. Vorbei an einer pavillonartigen Portiersloge, hinein über ein paar Stufen in den riesigen Speisesaal mit großen Fensterfronten.

Pandemiezeiten wurden für eine sanfte Auffrischung des Inventars genutzt. Speiseplan, Zeit- und Datumsanzeige digital, neue Kühlvitrinenschränke die gut bestückt sind mit Jausenklassikern wie Gabelbissen, Latella, Hering in Tomatensauce und Getränken. Die Highlights: Eine Bühne, der Vorhang leider zu, Wandmalereien und der große Luxus, unbelauscht Gespräche führen zu können.

Kein Firlefanz – Besteck, Servietten, Gewürze – alles griffbereit. Die Damen der Küche fragen nach Wünschen, dann die Ausgabe von Suppe und Hauptspeise, Salat vom Buffet. Früher Resopaltische und jene Holzsessel die in vielen Horten, Schulen und Ämtern standen. Nun leichtes Mobiliar großzügig aufgestellt, der Platz ist ja da!

Rumgesaut wird nicht, gegessen schon, ein Transportband, das schon etliche Jahrzehnte treu seinen Dienst leistet, liefert Geschirr und Übriggebliebenes in die Spülküche. Noch ein letzter Blick auf die schönen Wandmalereien, im Vorbeigehen ein Eis mitgenommen. Schön wars, ich komm wieder.

Berta Blumenkohl

Oh du selige…

Geboren im Sternzeichen des gemeinen Hausschweins, aufgewachsen in einer protestantischen Familie war ich umzingelt von perfekten Hausfrauen. Mehrgängige Menüs, eine Schar Kinder aufziehen, riesige Obst- und Gemüsegärten hegen und pflegen – null Problemo! Natürlich gab’s auch in der Advent- und Weihnachtszeit ungeschriebene Gesetze: Pünktlich mussten die Fenster geputzt sein und ein gut sortierter Keksteller bereitstehen.

Traditionen gehören gebrochen: Fenster werden im Frühjahr geputzt und im Kühlregal gibt’s wunderbaren Lebkuchen-Fertigteig. Die Creaturas können mit Uromas Keksausstechern den Teig malträtieren und die Kunstwerke kreativ aufpimpen. Ich widme mich wichtigen Dingen des Lebens, etwa den neuen Jonathan Franzen zu lesen.

Trotzdem würde ich mich direkt in meine Kindheit zurückkatapultieren lassen: Ein Weihnachtsessen mit längst Verstorbenen in der Runde. Hendleinmachsuppe mit kleinen Semmelknödeln, Gefüllte Kalbsbrust mit Erdäpfeln, Kekse ohne Ende und eine spezielle Torte vom Konditor. Draußen knietief Schnee, drinnen heiß wie in der Hölle.

Zurück in der Gegenwart macht mich auch ein brennheißer Kaffee in der knackig kalten Luft am frühen Morgen am Balkon glücklich. Hör ich dann noch Weihnachtsmusik aus dem 17. Jahrhundert, ist es perfekt.

Berta Blumenkohl

So schaut´s aus

Seit sich Berta und Bertl Blumenkohl verdoppelt haben läuft vieles anders, auch in der Küche. Es muss schnell gehen, es soll satt und zufrieden machen und schmecken soll`s dann auch allen.

Da ich nicht zur Spezies des sich aufopfernden Mütterleins gehöre, bin ich seit der Geburt der beiden Creaturas eine Anhängerin des Fast Food. Zuerst war’s der Busen, dann Mahlzeiten. Nudeln im 1kg-Pack, Sonderangebote von Fertigsugos en gros, Pudding, Knorr-Fix für Pasta asciutta, TK-Gemüse, Fertigspätzle und Blätterteig supa wenn’s schnell gehen muss. Manchmal denk ich mir, wenn ich am Band der Supermarktkassa steh: der Speiseplan von Verrückten.

Was gibt’s Schöneres als nach einem langen Arbeits- und Schultag Frankfurter ins heiße Wasser zu schmeißen, in eine Semmel zu beißen und das Ganze noch mit Ketchup zu krönen? Fiebernde Kinder? Nudeln kochen, Sugo drüber – g’essn is!

Am Spielplatz der Schrecken aller Bobo-Mütter: Nein die Damen, ich besitze keine Bento-Jausenbox mit 50 Fächern für die Gschratzn, ja sie sind geimpft und waren in einem ganz ordinären öffentlichen Kindergarten, und ja die Radln sind gebraucht vom Feuerwehrflohmarkt und gerettet vom ASZ.

Aber lassen sie sich nicht täuschen, auch für die Creaturas wird, wenn Zeit ist mit Liebe gekocht: Es gibt stundenlang gekochte Hühnersuppen, es wird gemeinsam Kuchen gebacken und Picknicks vorbereitet.

Berta Blumenkohl