Sozialmärkte in Not

Hohe Nachfrage, Teuerung und Konkurrenz um im regulären Handel nicht mehr verkäufliche Waren machen den Tafeln zu schaffen. Das Konzept – Warenspenden des Handels über Vereine an Armutsbetroffene zu verteilen – kommt an seine Grenzen.

So verzeichnet etwa der Linzer SOMA-Markt täglich bis zu 350 Kund*innen und auch die Nachfrage nach Einkaufskarten steigt. Diese berechtigen dazu dreimal in der Woche um zehn Euro Waren einzukaufen oder ein Mittagsmenü zu konsumieren. Man hört auch über einen rückläufigen Spendenwillen, dem Mangel an Grundnahrungsmittel und dem Ausbleiben von attraktiven Waren, die der „Lebensmittelrettung“ durch Startups anheim fallen.

Die Tafeln erweisen sich damit wieder einmal als Echolot der gesellschaftlichen Zustände. Die erste Tafel entstand 1993 in Berlin. Der Rückbau des Sozialstaates und stagnierende Einkommen schufen den Raum für ein karitatives Projekt, das heute auch in Österreich weitverbreitet ist.

Es zeigt sich wieder einmal, dass Armutsbekämpfung, ohne an den Ursachen von Armut zu rütteln, Stückwerk bleibt und der Kampf um höhere Löhne, Pensionen und Sozialtransfers dringlich ist wie der um einen Bissen Brot.

Gerlinde Grünn

Krankes Sozialsystem

Ronald Rupoldinger über die neuen Ausgesteuerten

Dass die derzeit fuhrwerkenden Regierung die Sozialhilfe vor allem als Werkzeug sieht, die Armen in diesem Land zu drangsalieren, wurde an diesem Ort bereits mehrmals erörtert. Wieweit sie allerdings bereit ist zu gehe, das überrascht immer wieder aufs Neue. Denn vom Anspruch, dass im Lande Österreich niemand in Elend leben muss, hat man sich schon längst verabschiedet. Klammheimlich, abseits der Haupt- und Staatsaktionen werden von Sozialminister Kocher Verschärfungen angewiesen, die für Betroffene katastrophale Auswirkungen haben.

So hat man kürzlich begonnen, längere Bezieher*innen der Sozialhilfe systematisch zur Überprüfung der Arbeitsfähigkeit zu laden. Es sind hier in erster Linie Menschen mit Behinderung und Menschen mit psychiatrischen Diagnosen betroffen, deren Arbeitsfähigkeit begutachtet wird. Es wurden Fälle bekannt, wonach erblindete Menschen, die überdies auf den Rollstuhl angewiesen sind, zur Überprüfung beordert worden sind. Fälle wurden auch öffentlich, in welchen psychisch erkrankten Personen, welche die Tätigkeiten zur normalen Lebensbewältigung

nicht ohne Unterstützung erledigen können, plötzlich eine Arbeitsfähigkeit attestiert wird. Der Ausgang dieser Fälle lässt sich leicht prognostizieren. Diese Menschen sind nicht in der Lage, Bewerbungen zu verfassen oder einen Job im ersten Arbeitsmarkt zu bewältigen. Sie fliegen früher oder später aus der Arbeitslosenversicherung und postwendend auch aus dem Bezug der Sozialhilfe. Verschiedene Sozialeinrichtungen berichten bereits von einer Häufung solcher Fälle. Die Betroffenen haben vom öffentlichen Sozialsystem nichts mehr zu erwarten. Sie werden auf Almosen angewiesen sein.

Inzwischen hat auch die österreichische Armutskonferenz in einer Studie nachgewiesen, dass die Sozialhilfe weder krisensicher sei noch die Grundbedürfnisse der Betroffenen decken würde. Diese Position ist den Regierenden gegenüber wohlmeinend und setzt voraus, dass es bei der Sozialhilfe um Absicherung gehen würde. In Wirklichkeit sind die Adressaten dieser Art von Sozialpolitik, die zumindest in Kauf nimmt, dass Betroffene verrecken, jene die noch in Arbeit stehen. Ihnen wird signalisiert, was ihnen blüht, wenn sie aufmucken in der Arbeitswelt.

Gesetzlicher Terror

„Fähigkeitsorientierte Aktivität“ so heißt es in den amtlichen Papieren der oberösterreichischen Landesregierung, habe den Zweck, Menschen mit Beeinträchtigung, sei es mit Behinderung oder mit psychischer Erkrankung, eine Teilnahme am Arbeitsprozess, dessen tagesstrukturierenden Auswirkungen, also in das soziale Leben zu integrieren. Diese Aktivitäten, so könnte man die Verwaltungsprosa übersetzen, habe die Aufgabe, kapitalistische Realität zu simulieren. Damit die Simulation der Realität möglichst nahe kommt, hat sich das Land Oberösterreich, unter der Federführung des Landeshauptmannes zahlreiche Gemeinheiten ausgedacht.

Die Teilnehmer*innen dieser Maßnahmen (!) erhalten für ihre Arbeit, die oftmals durchaus verkauft wird, ein skandalös niedriges Taschengeld. Jenen Teilnehmer*innen dieser Aktivitäten, die auf die Sozialhilfe angewiesen sind, wird das Taschengeld eins zu eins von der Sozialhilfe wieder abgezogen. Wenn die Betroffenen dann noch in einer betreuten Einrichtung wohnen, erhalten sie ohnehin den geringeren Mitbewohner-Richtsatz. Die Landesregierung ist unendlich kreativ, wenn es darum geht, den Ärmsten eine reinzusemmeln. Von der Idee der Existenzsicherung durch die Sozialhilfe ist nichts übrig geblieben.

Ronald Rupoldinger

Die Betroffenen klein halten

Die Sozialhilfe, wie sie derzeit gehandhabt wird, ist ein Instrument zur Unterwerfung und zur Disziplinierung der Armen. Von Ronald Rupoldinger

Als die bedarfsorientierte Mindestsicherung eingeführt worden ist, war die vorherrschende Meinung, dass dies, wie der Name schon sagte, das mindeste sei, was Menschen zum Überleben benötigen. Es lag zwar schon damals weit unter der Armutsgrenze und sicherte ein schlechtes Leben, kein würdiges. Mit der Rückkehr zur Sozialhilfe unter Schwarz-Blau wurden selbst diese minimalen Standards über den Haufen geworfen, mit dem Ergebnis, dass tausende Existenzen devastiert wurden. Man kann in Österreich wieder verrecken, wenn nicht irgendwo ein Almosen abfällt.

Die Koppelung der Sozialhilfe mit dem Repressionsinstrument Arbeitsmarktservice etwa, schafft eine gefährliche Gemengelage für die Betroffenen. Etwa für einen psychisch Kranken mit einer entsprechenden Diagnose, der vom AMS immer noch als arbeitsfähig geführt wird. Da dieser aber weder in der Lage ist, Bewerbungen zu führen, noch eine Arbeit zu bewältigen, wird er vom AMS gesperrt. Die AMS-Sperre hat zur Folge, dass auch keine Sozialhilfe bezahlt wird. Entsprechende Klagen ziehen sich über Jahre. Die Sozialhilfe ist hierzulande dergestalt aufgestellt, dass das Verrecken billigend in Kauf genommen wird.

Bemerkenswert ist auch die Datengier der auszahlenden Stellen. Es wird von Fällen berichtet, dass sich Bezieher der oberösterreichischen Sozialhilfe, die bei einem Bankomaten in einem benachbarten Bundesland Geld behoben hatten, jede einzelne Behebung begründen mussten. Wäre etwa ein Verwandtenbesuch der Grund gewesen, so wäre die Sozialhilfe gestrichen worden, weil ja Verköstigung im Spiel gewesen sein hätte können. Wem da nicht die Ausgesteuerten der Ersten Republik einfielen, die ihre Gemeinde nicht verlassen durften.

Die Willkür von Politik und Verwaltung äußert sich auch in der provokanten Langsamkeit der Bearbeitung der Anträge. Es soll schon vorgekommen sein, dass der Bescheid erst kurz vor dessen Ablaufen übermittelt worden sei. Eine Wartezeit von mehreren Monaten, so wird berichtet, sei gang und gäbe. Setzt man diese asoziale Praxis mit den prekären Lebensverhältnissen der Antragsteller*innen ins Verhältnis, so kann man nur zum Schluss kommen, dass diese Behördenwillkür beabsichtigt ist. Man will die Betroffenen klein halten.

Cartoon: Karl Berger, http://www.zeichenware.at

Terror gegen die Armen

Daniel Steiner über oberösterreichische Besonderheiten bei den Armenbekämpfungsschikanen (Tarnname „Sozialhilfe“).

Oberösterreichs Landespolitik ist hinlänglich für seine Absurdität und Grauslichkeit bekannt. Kein Wunder, schließlich steht das Land ob der Enns seit 1945 unter der Fuchtel einer Gstopften-Lobbyorganisation und Postenschacheragentur, die für den „Pöbel“, wie man in diesen Kreisen zu sagen pflegt, nur Verachtung übrig hat. Oder eben die „Sozialhilfe“.

Der Begriff selbst kann, wenn man die reale Umsetzung derselben in Oberösterreich genauer betrachtet, nur als Orwell’scher Neusprech erster Güte bezeichnet werden. Dass Richtsätze, die zwischen 427,26 und 949,46 Euro schwanken und für minderjährige Personen sogar das unterirdische Niveau von 28,48 Euro monatlich erreichen können, wenig mit „sozial“ zu tun haben, dürfte inzwischen in der Café KPÖ-Leser*innenschaft hinlänglich bekannt sein. Dass sich die oberösterreichischen Eliten imstande sind, sich selbst bei neuen Gemeinheiten gegenüber Sozialhilfe-Empfänger*innen zu übertreffen, überrascht dann selbst hartgesottene Beobachter*innen der Szenerie.

Es kann einem nämlich so ergehen wie Herrn D.: Wie üblich im Kreise der Sozialhilfe-Empfänger*innen ist der ökonomische Background der eigenen Familie bescheiden. „Sozial schwach“ wird das dann gerne genannt. Doch der vorgeblichen sozialen Schwäche zum Trotz schafft es der Vater des Herrn D. – er muss den 70er schon hinter sich gelassen haben – seinem Sohn zu Weihnachten 1.500 Euro als Geschenk zukommen zu lassen. Der beschenkte Sohn freut sich, schließlich muss er aus tragischen persönlichen Gründen einen Wohnungswechsel vollziehen. Und das kostet.

Leider bleibt der Behörde dieses innerfamiläre Weihnachtsgeschenk nicht verborgen. D.s Papa hat den Betrag nämlich überwiesen und die Sozialhilfestelle verlangt Einblick in alle Kontobewegungen der Leistungsempfänger*innen. D. werden nun die 1.500 Euro von seiner Sozialhilfe abgezogen bzw. muss er diesen Betrag nun auf Raten abstottern, weil er natürlich wesentlich weniger erhält. Weil Gesetz ist Gesetz, sagt die Behörde. Wovon er inzwischen leben soll, ist den Herrschaften Gesetzgeber im oberösterreichischen Landtag völlig einerlei. Hauptsache Härte zeigen!

Aber es kann einem noch Schlimmer ergehen als Herrn D.: Herrn S. zum Beispiel. Herr S., seines Zeichens Sozialhilfeempfänger, erdreistete sich gar schwer zu erkranken. Und zwar so schwer, dass er im Hospiz landete, um dort seinen Tod zu erwarten. Als diese Ungeheuerlichkeit der die Sozialhilfe ausbezahlenden Behörde – im Falle von Herrn S. das Magistrat der Stadt Linz – zu Ohren kam, strich man ihm stante pede die gesamte Leistung.

Einerseits wurde er als Sterbender als nicht arbeitswillig eingestuft. Andererseits wurde beschieden, dass Sterbende im Hospiz ohnehin vollversorgt seien und aufgrund ihrer gesundheitlich aussichtslosen Lage auch keine Sozialversicherung mehr benötigen würden. Praktischerweise legen Sterbende auch äußerst selten Berufung ein und lassen sich auf einen möglicherweise langjährigen Rechtsstreit ein, deshalb geht so etwas durch. Nein, die Menge an Lebensmittel kann niemand verdrücken, die man hierzu kotzen müsste!

Cartoon: Karl Berger, http://www.zeichenware.at