Michael Graber über den Markt als Regulativ.

„Die Märkte spielen verrückt“ so hieß es in den Medien, von den Regierungs- und Oppositionsparteien angesichts der Preisexzesse, die wir derzeit insbesondere am Energiesektor erleben. Spielen die Märkte verrückt im Gegensatz zu deren „normalen“ Verhalten?
Zunächst gilt es einmal festzuhalten, Markt ist nicht gleich Markt. Der Bauernmarkt in Favoriten, wo die Händler frisches Obst und Gemüse anbieten, ist nicht zu vergleichen mit Märkten, wo nur einige Großkonzerne operieren, wie z.B. die großen Handelsketten und schon gar nicht mit den verschiedenen Sektoren am Weltmarkt, der von einigen hundert, wahrscheinlich aber eher von nur einigen Dutzend transnationalen Superkonzernen beherrscht werden.
Das schöne Bild des „freien Marktes“ auf dem sich die Tüchtigsten durchsetzen ist eine ebenso billige Erzählung wie die für jeden offene Möglichkeit vom Tellerwäscher zum Millionär aufzusteigen.
Eine fast ebenso billige Erzählung ist die Mär, dass in jedem Fall die Märkte über die Preise signalisieren, ob Angebot oder Nachfrage überwiegen. Natürlich gibt es das auch, spielt aber heute auf den wichtigsten Märkten, die Produktion, Verteilung und Konsum bestimmen, eine untergeordnete Rolle. Je weniger Anbieter auf einem Markt operieren, desto mehr bestimmen Größe, Kapital- und Marktmacht der Konzerne die entscheidende Rolle. Konkurrenz und Monopol sind da meist keine Gegensätze mehr. Innerhalb von Kartellen mag es Konkurrenz geben, aber nach außen agieren sie als Monopol und erst recht internationale Kartelle wie z.B. die OPEC. Der Sinn ihrer Existenz besteht gerade darin, die Preise zu bestimmen, zu manipulieren, zwecks höchstmöglicher Profite.
Dazu kommt, dass viele Güter auf den Weltmärkten an den Börsen gehandelt werden, wo die Spekulation eine wesentliche Rolle spielt und preisbestimmend wirkt. Das gilt auch etwa für Grundnahrungsmittel wie etwa für Weizen, aber auch für viele andere Grundstoffe, etwa Metalle usw. Dort geht es ebenfalls nicht um Versorgungssicherheit, sondern um die Erzielung höchstmögliche Profite.
Natürlich können künstliche oder durch außerökonomische Umstände verursachte Verknappung von Gütern dramatische Preissteigerungen hervorrufen. Das war (und ist) etwa durch die von der Pandemie hervorgerufene Unterbrechung von Produktionen und Lieferketten der Fall. Aber auch in diesen Fällen gibt es Gewinner. Wer den größten finanziellen Rückhalt hat, kann sich rechtzeitig mit der Mangelware eindecken, ist auch bereit die hohen Preise zu zahlen. Dadurch tritt eine weitere Verknappung ein, treibt die Preise und damit die Inflation. Auch hier setzt in der Regel die Spekulation an. So funktionieren eben die „normalen“ Märkte. Für den oberflächlichen Betrachter scheinen die Märkte verrückt zu spielen, sie funktionieren aber in der kapitalistischen Logik der Profitmacherei, auch wenn dies zu Preisexzessen führt. Das dramatischste Beispiel ist derzeit der Gaspreis, der nicht nur den Strompreis, sondern auch den Preis vieler anderer Güter beeinflusst und derart die Teuerungswelle antreibt.
Märkte sind kein Naturwesen. Sie können politisch beeinflusst, reguliert und auch außer Kraft gesetzt werden. Es kommt darauf an wessen Interessen sich in der Gesellschaft durchsetzen.