
Paul Schuberth über die Gründung der IG Freie Musikschaffende.
Es überraschte wie der Paukenschlag in Haydns berühmter Symphonie: Alexander Koeck, Sänger der international erfolgreichen, aus dem Burgenland stammenden Band Cari Cari, wagte es, zwischen seinen Auftritten beim Festakt zu „100 Jahre Burgenland“ die furchtbaren Gagen der ebenfalls auftretenden Orchestermusiker*innen zu kritisieren.
Dreißig Euro für einen ganzen Abend seien eine Schande für ein Land, das für sich selbst als eines der Kultur wirbt. Der sichtlich beleidigte Moderator Alfons Haider musste zwar nach einem Wortgefecht und anfänglichen Dementi die Gagenhöhe bestätigten, wusste aber das „hoffentlich nicht belästigte“ Publikum zu beruhigen: „Aber bitte: das sind keine Profimusiker!“
Natürlich ist es ein Irrsinn, 25-jährige Künstler*innen, die zufällig noch zwei Monate vor ihrem Diplom- oder Masterabschluss stehen, aber in vielen Fällen schon eine professionelle 15-jährige Vollzeitausbildung absolviert haben, als Hobbyspieler zu verniedlichen. Dreht man aber den Spieß um, und bezieht die Bezeichnung „Profi“ darauf ab, ob man von der professionellen Leistung und dem täglichen Einsatz auch einigermaßen angenehm leben kann, kommt man zur Frage, wer in Österreich überhaupt als Profimusiker bezeichnet werden kann?
Bezahlungen in genannter Höhe sind keine Ausreißer, sondern in den verschiedensten Genres der Branche Alltag. Selbst wenn hundert Euro mehr bezahlt würden, käme man – rechnet man die Zeit fürs Üben, Proben, für die Anfahrt, fürs Organisatorische als Arbeitszeit – auch auf nicht viel mehr als einen Stundenlohn von drei bis fünf Euro.
Hinzu kommen die oft miserablen Arbeitsbedingungen: Etwa die Unzumutbarkeiten von unangreifbaren hierarchischen Strukturen, mit denen man von der Universität weg, über freie Projekte, bis hin zu den etablierten Orchestern überall konfrontiert wird. Oder das Ausgeliefertsein an tyrannische Dirigenten oder Projektleiter, die Häufigkeit von sexueller und anderer Belästigung, gegen die sich Betroffene aus Angst vor schlechter Beurteilung oder vertaner Karrierechance nicht aufzulehnen trauen. Weiters der im Vergleich zu anderen Branchen noch schlechtere Gesundheitsschutz für Musiker*innen. Dazu kommt der unfassbare Druck vor allem in der Klassikbranche, der die Kolleg*innen so schlecht miteinander umgehen lässt, dass die Versprechen der Musik Freiheit und Menschlichkeit als reine Farce erscheinen.
»Der Arbeiter fühlt sich in seiner Arbeit ausgebeutet. Der Künstler aber fühlt sich unterdrückt in seinem Genie, eingeschränkt in seinem Schaffen, betrogen in seinem Anspruch auf Ruhm und Glück.« Wie um diese interessante Analyse aus dem Jahr 1925 des peruanischen marxistischen Philosophen José Carlos Mariátegui zu widerlegen, gründete sich im Sommer 2020 die IG Freie Musikschaffende Österreich.
Die IG, getragen von Musiker*innen aller Genres, setzt sich ehrgeizige Ziele. So zum Beispiel eine umfassende soziale Absicherung für alle freien Musiker*innen, der Kampf gegen Diskriminierung aller Art, die Etablierung von Mindesthonorarsätzen – aber auch die Reflexion der ambivalenten Funktion von Kunst und Musik in der kapitalistischen Gesellschaft. Dieser enorm wichtigen Initiative ist nur der größte Erfolg zu wünschen!