
Stefanie Breinlinger über die oberösterreichische Standortpartnerschaft
Im Oktober verkündeten Wirtschafts- und Arbeiterkammer einen neuen Schulterschluss: Ein „ehrliches und problemlösungsorientiertes“ Verhältnis der Sozialpartner soll gemeinsame Projekte für einen Aufschwung im Kontext der Krise fördern.
Über konkrete Ziele halten sich die beiden Interessensvertretungen indes bedeckt, von einer Clearingstelle bei Konfliktfällen und Arbeitsstiftung ist die Rede.
Lästiges „Schwarzbuch“
Fix ist, dass die AK künftig auf das „Schwarzbuch Arbeitswelt“, das den Unternehmer*innen seit 2006 lästig war, verzichtet. Die Partnerschaft erscheint nicht gerade auf Augenhöhe, wenn die AK einseitig etwas aufgibt, die Unternehmerseite jedoch scheinbar keine Vorleistung erbringen muss. Ein entmutigendes Signal für die Arbeitnehmer*innen.
Damit verzichtet die AK darauf, nur einen kleinen Teil jener Grauslichkeiten der Arbeitswelt, die sie in ihrer Beratungspraxis tagtäglich von den Lohnabhängigen hört und deren rechtliche Ansprüche sie einklagt, nicht mehr als warnende Beispiele zu veröffentlichen. Dies in einer Zeit, wo Whistleblowing hochlebt, weil es oft die einzige Möglichkeit für Beschäftigte ist, gegen Missstände anzukämpfen.
Das Allheilmittel?
Reale Interessengegensätze zudecken zu wollen, ist im Interesse der Lohnabhängigen verfehlt. Genauso wenig ist nachvollziehbar, die Sozialpartnerschaft als Allheilmittel darzustellen, wenn der „Partner“ kurz zuvor im Alleingang erkämpfte Rechte auslöscht, wie wir mit dem 12-Stunden-Tag und der Zwangsfusionierung der Krankenkassen erleben mussten.
Es ist zu befürchten, dass die Arbeitnehmer*innen-Vertretung den Wünschen der Industriellenvereinigung nachgibt, um Druck auf Löhne, Sozialleistungen und Arbeitsplätze zu verstärken, um die Profite von großen Unternehmen zu sichern und zu erhöhen. Will sich die AK für die Politik des neoliberalen Privatkapitals und für Einzelinteressen der Unternehmer* innen einspannen lassen?
Druck der Industrie
Am Beispiel MAN Steyr könnte das Land mit seiner neuen Standortpartnerschaft beweisen, dass es für Standortpolitik im Sinne der Arbeitnehmer*innen eintritt und Arbeitsplätze ernsthaft erhalten will, anstatt den Betriebsstandort an die Marktmacht transnationaler Konzerne auszuliefern.
Direkte Investitionen als öffentliche Beteiligungen und dabei direkte Mitbestimmung sicherzustellen sind bessere Maßnahmen, als darauf zu warten, dass der VW-Konzern einlenkt.
Die Einschnitte der Corona-Krise könnte man für eine dringende Weichenstellung nutzen: Es ist an der Zeit, überkommene und von der Akkumulationskrise des Kapitals besonders betroffene Industriesektoren wie Autoindustrie oder Flugzeugbau sowie klimaschädliche Industriezweige wie die Stahlerzeugung zu redu- zieren.
Umstrukturierung notwendig
Eine Umstrukturierung zu Gunsten ökologischer nachhaltiger Technologien, der Produktion erneuerbarer Energien, Logistik, dem Ziel einer CO2-neutralen Produktion, Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist über- fällig.
Die kapitalistische Produktionsweise und ihr expansiver Raubbau an der Umwelt rief die Klimakrise und Gesundheitskrise hervor und verschärft sie immer weiter. Wenn wir eine Chance haben, Gerechtigkeit für Mensch und Klima herzustellen, so ist dies nur mit Hilfe einer koordinierten Industrie- und Wirtschaftspolitik unter Einbindung der Beschäftigten zu machen.
Cartoon: Karl Berger