Stürzende Steinmänner

Franz Fend kann stürzenden Denkmälern etwas abgewinnen

Weltweit habe es gewisse Denkmäler derzeit nicht leicht. Nach der Ermordung des Afro-Amerikaners George Floyd durch rassistische Polizisten fanden nicht nur die Proteste der „Black Lives Matter“- Bewegung einen vorläufigen Höhe- punkt, es wurde auch kurzerhand die Statue des Sklavenhändlers und tausendfachen Mörders Eduard Colston von Aktivist*innen im Hafen versenkt. Dies war die Initialzündung für die weltweite intensivere Beschäftigung mit Denkmälern der herrschaftlichen Geschichtsschreibung. Im Zuge dieser Beschäftigung verlor beispielsweise die Statue von Christoph Columbus in Boston ihren Kopf, ja sogar im verschnarchten Wien hat das Monument des Antisemiten Karl Lueger etwas Farbe abbekommen.

Nicht, dass die Denkmalstürze an den realen Verhältnissen etwas geändert hätten; wenige Wochen nach der Ermordung Floyds wurde einem Afro-Amerikaner mehrmals in den Rücken geschossen, Protesten gegen den staatliche Rassismus wurden mit militärischen Mitteln niedergemacht. Rassistische Regimes scheinen fester im Sattel denn je. Es scheint, als hätte hier Zizek recht, der das Umlegen alter Denkmäler eher als Versagen, die vergangene Politik los zu werden beschrieb.

Herrschende Meinung

Und doch haben die Denkmalstürze etwas erreicht, nämlich eine Debatte darüber, wer den öffentlichen Raum, und somit die Gesellschaft beherrscht. Denkmäler erzählen die Geschichte der Sieger. Nicht von ungefähr waren es die Leni- ne, die nach 1989 der Reihe nach fielen. Denkmäler zeigen, wer die Köpfe dominiert. Insofern kann es schon mit Freude erfüllen, wenn ein Columbus fällt. Es sollte aber jene Denkmäler die noch stehen, als das gelesen werden, was sie sind: Ausdruck der herrschenden Meinung als Meinung der Herrschenden.

Etwa wenn in Linz, das Denkmal des rabiaten, wie militanten Antisemiten Franz Stelzhamer unbehelligt und von den Regierenden stets verteidigt steht, kann davon ausgegangen werden, dass dessen Antisemitismus nicht nur geduldet, sondern mehrheitlich gut geheißen wird. „Der Jude“, so der Verfasser der oberösterreichischen Landeshymne, habe nie was eigenes erreicht, aber wie ein „Riesenbandwurm“ in den Organen eines „kultivierten Staatskörpers“ aus- gesaugt. Hier hat Hitler in „Mein Kampf“ abgeschrieben. Für ihn war „der Jude“, „immer nur Parasit im Körper anderer Völker.“ Stelzhamer war kein antisemitischer Mitläufer, er war Vorreiter.

Dass, als der Schriftsteller Ludwig Laher den Fall Stelzhamer öffentlich machte, das Land alles dran setzte, dass nichts Dichter, Denkmal und deren Ansehen beschädige, scheint logisch. War Stelzhamer nicht nur ein radikaler Antisemit sondern auch ein furioser Kämpfer gegen die bürgerlich-demokratischen Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Also treu den Richtlinien jener, die im Land das Sagen haben. Der Gemeinderat von Linz sprach sich gegen einen Antrag aus, das Monument im Volksgarten mit einer erklärenden Tafel zu ergänzen.

Wenn es um die Umdeutung von oder um die Aufklärung über Denkmäler von Rassisten oder Antisemiten geht, ist es bemerkenswert, wie sehr die aktuellen Machthaber in die Verteidigung investieren, wenn die Unterdrückten dies einfordern. Es könnte diesen in den Sinn kommen, dass es nicht die Denkmäler sind, die einen erdrücken, sondern die Verhältnisse. Bis es so weit ist, werden wir uns noch darüber erfreuen müssen, wenn ein Denkmal aufs Maul fällt.

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